Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 2298
Markt Einersheim (Landkreis Kitzingen, Unterfranken)

Die Sparkasse von Markt Einersheim

Schräg gegenüber dem historischen Rathaus befindet sich ein zweigeschossiges Büro- und Wohngebäude (Marktplatz 9), das im Erdgeschoß die Filiale der Sparkasse Mainfranken beherbergt. Es handelt sich um einen unverputzten Bruchsteinbau mit Walmdach, der im Kern aus dem 18. Jh. stammt, dessen Straßenfront aber Anfang des 20. Jh. massiv erneuert wurde, auf dem zwischen den beiden linken der insgesamt vier Fensterpaare des Obergeschosses angebrachten Wappenstein auf das Jahr 1907 datiert.

Das Wappen ist geviert, Feld 1 und 4: in Gold ein durchgehendes rotes Kreuz (Rechteren, Grafen von Rechteren-Almelo), Feld 2 und 3: erneut geviert, Feld a und d: in Rot eigentlich vier, hier fälschlicherweise nur drei aufsteigende silberne Spitzen, Feld b und c: in Blau 5 (3:2) aufrechte silberne Heerkolben (Schenken von Limpurg). Dazu werden zwei Helme geführt: Helm 1 (rechts): auf dem Helm mit rot-goldenen Decken ein goldener, rotgestulpter Hut, besteckt mit einer roten Straußenfeder (Rechteren, Grafen von Rechteren-Almelo), Helm 2 (links): auf dem Helm mit blau-silbernen Decken zwei rot-silbern im Spitzenschnitt geteilte Büffelhörner, in den Mundlöchern jeweils mit einem rot-silbern im Spitzenschnitt geteilten oder wie hier gespaltenen Fähnchen besteckt, wobei das auch hier vier Spitzen sein müßten, nicht drei (Schenken von Limpurg). Der Aufbau ist insofern korrekt, als der Wappenträger und Inhaber der Herrschaft im Jahre 1907, Friedrich Ludwig Graf zu Rechteren-Limpurg-Speckfeld (9.1.1811-23.4.1909), genealogisch dem Mannesstamm Rechteren entstammt und die Grafschaft Limpurg-Speckfeld nur erheiratet wurde.

 

Das Geschlecht der Schenken von Limpurg, dessen ehemaliges Herrschaftsgebiet zwischen Schwäbisch Hall, Schwäbisch Gmünd und Ellwangen lag, blühte in drei Linien. Die Gaildorfsche (Gaildorf war Hauptort der Grafschaft) erlosch mit Wilhelm Heinrich 1690, die Speckfeldische mit Georg Eberhard 1705 und die Sontheimische mit dem Sitz in Obersontheim mit Vollrath 1713. Nach dem Aussterben der Familie wurde zwischen Reichslehen und Eigenbesitz unterschieden: Die Reichslehen gingen an die Markgrafen von Brandenburg; der Eigenbesitz wurde unter den zehn im Jahre 1713 noch lebenden Erbinnen aus allen Limpurger Linien aufgeteilt.

Die Hintergründe sind noch etwas komplexer und führten zu umfangreichen Erbauseinandersetzungen: Generalmajor Georg Eberhard Schenk von Limpurg-Speckfeld hatte zwar drei Töchter, doch er hatte sein Land testamentarisch dem König von Preußen vermacht, in Dankbarkeit seinem einstigen Dienstherrn gegenüber. Preußen besetzte 1713, nach dem Tod des letzten Schenken in Obersontheim, der fünf Töchter hinterließ, aufgrund dieses Testamentes das gesamte Limpurger Land. Der Kaiser intervenierte und stellte Limpurg unter Sequester. Preußens Staatsoberhaupt ruderte zurück und bekam aus der Erbmasse lediglich die Reichslehen sowie die Stimmen im fränkischen Reichskreis auf der Grafenbank für Gaildorf und für Speckfeld. Die Erbtöchter erhielten ihre Anteile. Die Aufteilung des Obersontheimer Erbes war erheblich komplizierter als die des Speckfelder Erbes (vgl. Kapitel über Schloß Untergröningen) und währte bis 1774.

Amalia Alexandrina Friderica Gräfin von Limpurg-Speckfeld (4.1.1689-2.4.1754), Tochter von Georg Eberhard von Limpurg (3.10.1643-11.4.1705) und dessen Frau, Johanna Polyxena von Leiningen-Dagsburg-Falkenburg (10.4.1656-11.9.1711), Enkelin von Franz Friedrich Schenk von Limpurg (27.6.1596-5.12.1651), vermählt mit Magdalena Elisabeth von Hanau-Münzenberg (1611-26.2.1687), war die Erbin der Herrschaft Speckfeld und der Schlösser in Markt Einersheim und in Sommerhausen. Sie hatte Joachim Heinrich Adolph Graf von Rechteren (28.12.1687-15.3.1719) geheiratet; dadurch kam es zur Übernahme von Besitz und Titel der Limpurg zu Speckfeld durch die niederländischen bzw. geldernschen Grafen von Rechteren-Almelo unter Namens- und Wappenvereinigung. Interessanterweise fand aber eine Umkehr der Reihenfolge im Wappen statt: Während wir die Wappen der Schenken von Limpurg mit den Heerkolben an der höherrangigen Position finden, z. B. in der Pfarrkirche von Markt Einersheim, ist bei den im Ort zu findenden Wappen der Grafen von Rechteren (Sparkasse, Schloß, Kirchenfenster) die Spitzenteilung in der höherwertigen Position angebracht.

Die von Rechteren hießen eigentlich van Hekere(n). Diese urkundlich im Jahr 1263 mit Everhardus miles de Hekere und 1279 mit Friderikus de Hykere dictus de Hese urkundlich erstmals in Erscheinung tretende Familie teilte sich in mehrere Linien. Nachdem Frederik van Hekeren (-1386) durch seine Ehefrau, Lutgardis van Voorst gen. Rechteren, an das Schloß Rechteren bei Dalfsen in Overijssel gelangt war, benannte sich dieser Zweig fortan nach dem neuen Sitz, der auch heute noch in Familienbesitz ist. Die Linie seiner Brüder nannte sich Hekeren von der Eese. Eine Seitenlinie der van Hekeren gen. Rechteren waren die van Voorst zu Voorst; sie gehen auf Seger (Zeger) van Hekeren zurück. Die von Rechteren, genauer die van Hekere(n) genannt zu Rechteren, führten als Stammwappen das rote Kreuz auf goldenem Grund. Der Vater des Ehemannes der Erbin von Speckfeld war Johann Seger Freiherr von Rechteren (-13.3.1701), Herr von Almelo, 25.10.1705 Reichsgraf, später souveräner Graf von Limpurg-Speckfeld mit Sitz und Stimme im fränkischen Grafenkollegium. Almelo wäre folgendes Wappen: in Gold drei blaue Balken, diese belegt mit 5:4:3 silbernen Wecken. Dieses Motiv wird 1485 als Herzschild der Grafen von Rechteren, den neuen Herren von Almelo, aufgenommen. Der Herzschild Almelo kommt in einer anderen Form des vermehrten Wappens der Grafen von Rechteren-Limpurg-Speckfeld ebenfalls vor, und zwar als ein dem hier beschriebenen Schild zusätzlich aufgelegter Herzschild. Auch das Haus Almelo befindet sich heute noch im Familienbesitz, ebenso das Gut Enghuisen. Die Grafen von Rechteren residierten in Markt Einersheim und in Sommerhausen bis 1955.

Literatur, Quellen und Links:
Siebmachers Wappenbücher wie angegeben
Genealogien: Prof. Herbert Stoyan, Adel-digital, WW-Person auf CD, 10. Auflage 2007, Degener Verlag ISBN 978-3-7686-2515-9
Sehenswürdigkeiten in Markt Einersheim:
https://de.wikipedia.org/wiki/Markt_Einersheim#Kultur_und_Sehensw.C3.BCrdigkeiten
Sehenswertes in Markt Einersheim:
http://www.markt-einersheim.de/g_sehenswertes.html
Liste der Baudenkmäler:
https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Baudenkmäler_in_Markt_Einersheim
Georg Dehio: Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler, Bayern I: Franken, München, Berlin 1999, ISBN 3-422-03051-4
Grafen von Rechteren-Limpurg:
https://de.wikipedia.org/wiki/Rechteren-Limpurg - https://nl.wikipedia.org/wiki/Van_Rechteren
Limpurg-Rechteren:
http://wuerzburgwiki.de/wiki/Limpurg-Rechteren
Markt Einersheim auf den Seiten des Kulturpfades Castell:
http://www.kulturpfad-grafen-castell.de/html/markt_einersheim.html
Erbauseinandersetzungen im Hause Limpurg:
https://www2.landesarchiv-bw.de/ofs21/olf/einfueh.php?bestand=20938

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Ein Erbstreit und die heraldischen Folgen: das Schicksal des Limpurger Territoriums

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