Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 2315
Passau (Niederbayern)

Der Passauer Innbrückbogen

Der Innbrückbogen ist am Südrand der Innenstadt zu finden, auf der untersten Ebene der Innfassade der alten bischöflichen Residenz, welche sich hoch darüber erhebt. Wer auf der Mariahilfstraße den Inn über die moderne Marienbrücke überquert hat und danach auf der Gottfried-Schäffer-Straße steht, erreicht das Tor nach einer scharfen Rechtswendung. Durch das Tor führt die Innbrückgasse in flachem Winkel unter der alten bischöflichen Residenz hindurch. Die heutige Situation entspricht nicht der historischen Stadtarchitektur, denn das Innbrucktor war das südliche Stadttor und zugleich von 1143 bis 1768 der Brückenkopf an der alten, 270 m langen, noch aus Holz gefertigten und auf 13 Pfahljochen ruhenden Innbrücke, die die Altstadt mit der neuen Siedlung am südlichen Innufer verband, dem heutigen Stadtteil Innstadt. Die Innbrückgasse war die Auffahrt auf den Domberg.

Die 1841-1846 neu erbaute Marienbrücke liegt ein Stück weiter westlich, so daß der einstige Brückenkopfcharakter heute verlorengegangen ist. Der aus unverputztem Haustein gefertigte Torbau, der das eigentliche Tor mit einem doppelt so hohen Blendbogen umschließt, ist völlig in die verputzte und gelb angestrichene bischöfliche Residenz integriert. Die drei überdimensionierten "Zinnen", die den oberen Abschluß des Tores bilden, rahmen wie Wandvorlagen bereits die unterste Fensterreihe der Wohngeschosse. Zwischen Toröffnung und Blendbogen ist ein großer Wappenstein angebracht.

 

Die Inschrift unter dem Wappen lautet: "HANC CVRIAM EPISCOPALEM POSTQVAM A(NNO) MDCLXII (1662) IN TERRIBILI TOTIVS VRBIS CONFLAGRATIONE VNACVM SVMMO TEMPLO ABSORPTA FVISSET IN HANC FORMAM AB INTVS ET EXTRA PRO VT CONSPICITVR TERTIO SVI REGIMINIS ANNO RESTITVIT WENCESLAVS EPISCOPVS PASSAVIEN(SIS) ET GVRCENSIS &c (et cetera) EX COMITIBVS DE THVN &c (et cetera) A(NNO) MDCLXVI (1666)".

Bei dem in der Inschrift erwähnten Ereignis handelt es sich um den großen Stadtbrand vom 27.4.1662. Die aufgrund der Lage auf der Landzunge zwischen den Flüssen eng und verwinkelt bebaute Altstadt von Passau brannte oft, so in den Jahren 846, 1132, 1181, 1508, 1512, 1662, 1680 und zuletzt 1809, doch der Brand des Jahres 1662, der vom St.-Johannis-Spital seinen Ausgang nahm, war der verheerendste in der Stadtgeschichte. Zum einen zerstörte er drei Viertel aller Gebäude, vor allem komplett die damals noch weitgehend aus Holzhäusern bestehende Altstadt, und war für die Bewohner eine absolute Katastrophe mit mindestens 2000 Todesopfern. Auch der Stephansdom, die Studienkirche, die Innstadt, das Kloster Mariahilf und der Neumarkt brannten ab. Übrig blieben lediglich der westliche Teil des Neumarkts, der Anger, St. Nikola und die Ilzstadt. Zum anderen bildete dieser Brand die Basis für einen stilistisch einheitlichen Aufbau, der der Altstadt heute ihr typisch barock-italienisches Gepräge gibt, denn der ab 1664 erfolgte Wiederaufbau wurde von etlichen italienischen Handwerkern durchgeführt, allen voran vom 1668 berufenen, italienischen Baumeister Carlo Lurago.

Passau brannte noch während der Amtszeit von Fürstbischof Leopold Wilhelm Erzherzog von Österreich (amtierte 1625-1662), ein halbes Jahr vor dem Ende dessen Regierung. Er gab sofort 45000 fl. zum Wiederaufbau, konnte aber nicht viel mehr erreichen als Aufräumen und Sichern. Viel Zeit bleib diesem Fürstbischof nicht mehr, und auch unter seinem Nachfolger, Karl Joseph Erzherzog von Österreich (amtierte 1662-1664), passierte nicht viel mehr, denn er war ein zartes, krankes Kind.

Erst 1664 kam nach drei habsburgischen Prinzen mal kein ämtersammelnder Nichtsnutz und Pfründensammler, sondern mit Wenzeslaus von Thun wieder ein tatkräftiger Mann ans Ruder des Fürstbistums, und nun konnte endlich der systematische Wiederaufbau von Stadt und Dom unter dem erst 35jährigen neuen Amtsinhaber beginnen. Insbesondere die Stadtmauer und die Stadttore mußten zeitnah zum Schutz vor Plünderern wiederhergestellt werden, was das relativ frühe Datum dieses Wappensteines belegt. Man war im wahrsten Sinne des Wortes ein "gebranntes Kind" und erließ strenge Vorschriften zum Wiederaufbau. So wurde u. a. die Verwendung vor dem Dach hochgezogener Blendfassaden und Brandmauern zwischen den Häusern nach dem Vorbild der Städte Salzburg und Linz in der sog. Inn-Salzach-Bauweise verfügt. Die Innbrücke war bei dem Brand ebenfalls vernichtet worden: Sie stürzte mitsamt den darauf vor dem Feuer Geflüchteten ein. Noch während des Wiederaufbaus brannte die Stadt Passau erneut, doch aufgrund der bereits ausgeführten Sicherheitsbauweise nicht ganz so verheerend wie zuvor.

Der von einer fast übermenschlichen Schaffenskraft geprägte Wenzeslaus von Thun (amtierte 1664-1673) lebte 13.8.1629-6.1.1673. Er wurde in Tetschen geboren und wuchs u. a. in Prag auf. Seine Eltern waren Johann Sigismund Graf von Thun (20.9.1594-29.6.1646) und dessen zweite Frau Anna Margarethe von Wolkenstein (-7.9.1635). Die beiden Salzburger Fürsterzbischöfe Guidobald und Johann Ernst Graf von Thun waren seine Halbbrüder. Im Alter von 14 Jahren hatte er am 13.1.1643 sein erstes Kanonikat bekommen, als Domherr in Salzburg. Die Priesterweihe erhielt er 1655. Mit 27 Jahren wurde er im Jahre 1656 ins Passauer Domkapitel berufen. Als Passau brannte, war er Dompropst. Und nach drei habsburgischen Prinzen, die alle im Grunde aus Passauer Sicht Rohrkrepierer waren, entschied sich das Domkapitel bewußt wieder für ein Mitglied des erbländischen Hochadels, denn zum Wiederaufbau waren Taten vor Ort gefordert: Am 27.3.1664 wurde Wenzeslaus Graf von Thun gewählt. Die Bischofsweihe fand am 20.4.1664 statt; die Bestätigung erhielt er am 12.1.1665.

Er begann seine Regierungszeit unter denkbar ungünstigen Bedingungen: Die Bevölkerung litt seit dem 30jährigen Krieg und diversen Pestepidemien immer noch unter den erlittenen Verlusten. Vier Prozent seiner Stadtbevölkerung waren dann noch beim Brand ums Leben gekommen. Seine Stadt war immer noch so zerstört, daß er selbst zwei Jahre lang im außerhalb gelegenen Augustiner-Chorherren-Kloster St. Nikola seinen Wohnsitz nehmen mußte. Der neue Fürstbischof schaffte das schier Unmögliche und rief ein kleines Wirtschaftswunder ins Leben: Die Kosten wurden gesenkt durch Vereinfachung des Staatsapparates und durch Reform des Beamtenwesens; die Einnahmen wurden erhöht durch gezielte Urbarmachung von Waldgebieten. Sein Erfolg lag vor allem in der Führung des geistlichen Fürstentums als straff organisiertes und zentral verwaltetes Wirtschaftsunternehmen. Vor allem hatte Passau endlich wieder einen Landesherrn, der auch anwesend war, der an hohen Feiertagen sogar selbst den Pontifikalgottesdienst zelebrierte; auch darin unterschied er sich angenehm von seinen Vorgängern und schuf eine ganz neue Basis für die Beziehung zwischen Bevölkerung und Landesherr. Die Jesuiten wies er in ihre Schranken und entzog ihnen die Priesterausbildung. Seit 1665 war er auch zusätzlich Bischof von Gurk (Wahl am 10.8.1665, Bestätigung am 9.11.1665). Am 22.9.1666 wurde er auch noch Dompropst von Salzburg. Wenzeslaus von Thun, der kaum 44 Jahre alt wurde, regierte zwar nur 9 Jahre lang, aber in dieser Zeit gab er Passau ein neues Gesicht, architektonisch wie politisch-wirtschaftlich. Er war es, der den Wiederaufbau in die Wege leitete, der den Domneubau anschob, der neue Bauvorschriften erließ und italienische Baumeister nach Passau brachte. Unter ihm wurde Passau eine Barockstadt.

Das Wappen von Fürstbischof Wenzeslaus Graf von Thun (amtierte 1664-1673), wie er es seit 1665 auch als Bischof von Gurk führte, besteht aus drei Ebenen, von denen die unterste und die oberste Ebene gemeinsam das Familienwappen bilden, die mittlere Ebene aber seine geistlichen Fürstentümer repräsentiert:

Im Jahre 1516 hatten die Herren von Thun das Wappen der Herren von Königsberg und deren Schloß in der Ebene von Rotaliana übernommen. Im Jahre 1619 kam das Symbol für die Herrschaft Caldes (erloschene Familie der Herren von Caldes) als Herzschild hinzu. Es gab nach dem reinen Stammwappen drei Entwicklungsstufen dieses Familienwappens, eine Form zwischen 1516 und 1604, geviert mit zwei Helmen, 1604-1619 geviert mit drei Helmen, und ab 1619 geviert mit Herzschild und drei Helmen. Das Familienwappen wird beschrieben im Siebmacher Band: Bö Seite: 177 Tafel: 77, Band: Bö Seite: 264 Tafel: 121, Band: OÖ Seite: 458 Tafel: 112, Band: Salz Seite: 67 Tafel: 27 etc.

Gatz bildet das Wappen des Fürstbischofs Wenzeslaus Graf von Thun übrigens gänzlich anders ab, und leider als einzige Form, unter einem Schildhaupt mit den geistlichen Inhalten das Familienwappen:

Für dieses späte Wappen, das durch Siegel belegt ist und auch so auf dem Epitaph im Passauer Dom zu sehen ist, gibt es erst seit seiner Wahl zum Salzburger Dompropst am 22.9.1666 eine Berechtigung. Das hier abgebildete, aus dem gleichen Jahr stammende Wappen, das für die Zeit von 1665 (nach der Wahl zum Bischof von Gurk) bis 1666 (vor der Wahl zum Salzburger Dompropst) zutrifft, wird von Gatz ignoriert.

Liste der Fürstbischöfe von Passau (Ausschnitt):
unter Hervorhebung des hier mit seinem Wappen repräsentierten Fürstbischofs

Liste von Passauer Domherren aus der Familie Thun:
Es gab im 17. und 18. Jh. so viele Passauer Domherren und Fürstbischöfe aus der Familie, daß es lohnt, diese einmal in der Reihenfolge ihres Eintritts ins Kapitel zusammenzustellen und ihre genealogischen Zusammenhänge zu ordnen. Diese Liste zeigt, daß unter den Klerikern dieser Familie 8 Bischofswürden in den vier Bistümern Passau, Salzburg, Gurk und Seckau, mindestens drei Stellen als Dompropst und eine als Domdekan erreicht wurden.

Literatur, Links und Quellen:
Lokalisierung auf Google Maps: https://www.google.de/maps/@48.5737132,13.4658646,21z?entry=ttu - https://www.google.de/maps/@48.5737132,13.4658646,42m/data=!3m1!1e3?entry=ttu
Liste der Bischöfe von Passau:
https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Bischöfe_von_Passau
Übersicht über die Bischöfe von Passau:
http://www.catholic-hierarchy.org/diocese/dpass.html
Übersicht über die Bischöfe von Passau mit Kurzbiographie:
http://www.bistum-passau.de/bistum/archiv/geschichte/allgemein/reihenfolge-der-bischoefe
Wappen der späten Fürstbischöfe von Passau:
http://www.europeanheraldry.org/germany/ecclesiastical-states-empire/ecclesiastical-bench-1600-1800/furstbistum-passau-1600-1800/
August Leidl: Die Bischöfe von Passau 739-1968 in Kurzbiographien, Neue Veröffentlichungen des Instituts für Ostbairische Heimatforschung Nr. 38, Verlag des Vereins für Ostbairische Heimatforschung, Passau, 2. Auflage 1978.
Genealogien: Prof. Herbert Stoyan, Adel-digital, WW-Person auf CD, 10. Auflage 2007, Degener Verlag ISBN 978-3-7686-2515-9
Die Wappen der Hochstifte, Bistümer und Diözesanbischöfe im Heiligen Römischen Reich 1648-1803, hrsg. von Erwin Gatz, von Clemens Brodkorb, Reinhard Heydenreuter und Heribert Staufer, Schnell & Steiner Verlag 2007, ISBN 978-3-7954-1637-9
Gebäude in Passau:
https://regiowiki.pnp.de/index.php/Kategorie:Gebäude_(Passau)
Innbrückbogen:
https://regiowiki.pnp.de/index.php/Innbrückbogen_(Passau)
Wolfgang Kootz, Willi Sauer, Ulrich Strauch et al.: Die Dreiflüssestadt Passau - Stadtführer, Verlag Simon Sauer Verlag & Design Sinsheim, 2015, ISBN 978-3-940391-66-7
Peter Morsbach, Irmhild Heckmann, Christian Later, Jörg-Peter Niemeier: Kreisfreie Stadt Passau, Bd. 1 und Bd. 2, hrsg. vom Bayerischen Amt für Denkmalpflege München, Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland, Denkmäler in Bayern, Bd. II. 25, Verlag Friedrich Pustet, Regensburg 2014, ISBN 978-3-7917-2552-9, S. 322
Stadtbrand von 1662
https://regiowiki.pnp.de/index.php/Stadtbrand_1662_(Passau)
Stadtbrände
https://regiowiki.pnp.de/index.php/Stadtbrand_(Passau)
Wenzeslaus von Thun:
http://www.catholic-hierarchy.org/bishop/bthunw.html - https://regiowiki.pnp.de/index.php/Wenzeslaus_Graf_von_Thun - http://www.bistum-passau.de/lexikon/thun-wenzeslaus-graf-von - https://de.wikipedia.org/wiki/Wenzeslaus_von_Thun_und_Hohenstein
Thun-Hohenstein:
http://www.salzburg.com/wiki/index.php/Thun_und_Hohenstein
Thun-Hohenstein:
https://de.wikipedia.org/wiki/Thun_und_Hohenstein
Siebmachers Wappenbücher wie angegeben
Ludwig Heinrich Krick: Das ehemalige Domstift Passau und die ehemaligen Kollegiatstifte des Bistums Passau, chronologische Reihenfolgen ihrer Mitglieder von der Gründung der Stifte bis zu ihrer Aufhebung, Waldbauer, Passau 1922, 280 S.,
https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:bvb:355-ubr27812-6 - http://digital.bib-bvb.de/view/action/nmets.do?DOCCHOICE=19570976.xml
Prof. Herbert Stoyan, Adel-digital, WW-Person auf CD, 10. Auflage 2007, Degener Verlag ISBN 978-3-7686-2515-9

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