Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 2351
Mellrichstadt (Landkreis Rhön-Grabfeld)

Die Stadtmauer von Mellrichstadt

Mellrichstadt ist seit karolingischer Zeit ein Besitz des Hochstifts Würzburg. Der Verlauf der mittelalterlichen Stadtmauer kann noch gut im Stadtbild nachvollzogen werden, und es sind noch beachtliche Mauerzüge und einige Türme erhalten, z. B. der Bürgerturm aus dem 15. Jh. mit Fachwerkaufbau, Turmstube und welscher Haube an der Nordostecke der Stadtbefestigung oder der Pulverturm im Norden der Altstadt, früher ein Teil des Oberen Tores.

Das Untere Tor wurde 1340 erstmals als "Streutor" erwähnt (Streu = westlich der Altstadt verlaufender Bach). Es wurde auch "Neustädter Tor" genannt. Es bestand einst aus zwei Toren und zwei Pforten seitlich, wobei die großen Tore jeweils aus einem äußeren oder Fall-Tor mit Zugbrücke über den Wallgraben und einem inneren Tor mit hölzernen Flügeltüren und Balkenriegeln bestanden. 1787-1792 wurde an dieser Stelle das äußere Tor abgebrochen, und 1865 wurde das innere Tor zusammen mit dem dahinter befindlichen Torturm niedergelegt. In der Stadtmauer am Beginn der Langgasse ist ein prachtvoller Wappenstein von diesem einstigen Tor neben einem rundbogigen Durchgang eingelassen, gerahmt von zwei auf Konsolen stehenden, vollplastischen Säulchen, die ein mächtiges, verkröpftes Gesims tragen. An Säulen und Konsolen der Ädikula-Rahmung befinden sich mehrere Steinmetzzeichen im Stile der Renaissance.

Nach der Niederlegung des Tores war dieser Wappenstein, der sich einst über dem von zwei mächtigen Wachtürmen flankierten Rundbogen des Tores befand, zunächst an die Innenseite der angrenzenden Stadtmauer versetzt worden, wo er kaum wahrgenommen wurde. Erst in den 1980er Jahren wurde das Wappen bei der damaligen Renovierung der Stadtmauer an seinen heutigen Standort versetzt. Im Jahre 2003 wurde das Wappen wegen fortgesetzten Verfalls aufgrund einer Privatinitiative einer Renovierung unterzogen. Das Original befindet sich heute im Mellrichstädter Heimatmuseum im Salzhaus, dem Speichergebäude des Fronhofes. Was wir heute an der Mauer sehen, ist eine Replik aus einer von der Firma Halbig entwickelten Steinersatzmasse.

Es handelt sich um das in Unterfranken allgegenwärtige Wappen des Würzburger Fürstbischofs Julius Echter von Mespelbrunn (regierte 1573-1617). Der Wappenschild ist geviert: Feld 1: "Fränkischer Rechen" = von Rot und Silber mit drei aufsteigenden Spitzen geteilt, Herzogtum zu Franken, Feld 2 und 3: in Blau ein silberner Schrägbalken, belegt mit drei blauen Ringen, Stammwappen der Echter von Mespelbrunn, Feld 4: "Rennfähnlein" = in Blau eine rot-silbern gevierte, an den beiden senkrechten Seiten je zweimal eingekerbte, schräggestellte Standarte mit goldenem Schaft, Hochstift Würzburg.

Zum Wappen gehören drei Helme: Helm 1 (Mitte): ein Paar blauer Büffelhörner, jeweils belegt mit einem silbernen Schrägbalken, der wiederum mit drei blauen Ringen belegt ist, Helmdecken blau-silbern, Stammwappen der Echter von Mespelbrunn, Helm 2 (rechts): ein Paar Büffelhörner, jeweils im Spitzenschnitt rot-silbern geteilt, Helmdecken rot-silbern, Herzogtum zu Franken, Helm 3 (links): auf einem Fürstenhut drei Straußenfedern in den Farben Silber, Rot und Blau (Reihenfolge kann variieren) zwischen zwei rot-silbern gevierten Standarten mit goldenem Schaft, Helmdecken rot-silbern, Hochstift Würzburg. Den Griff des Schwertes muß man über dem Kopf der heraldisch rechten Begleitfigur (Allegorien von Tugend, hier mit Kreuz und Kelch) suchen, die nur noch zu erahnende Krümme des Krummstabs auf der anderen Seite über dem Kopf der dortigen Begleitfigur.

Die Inschrift unter dem Wappenlautet: "IVLIVS VON GOTTE GENADEN BISCHOFF ZV WÜRTZBVRGK HERTZOGK ZV FRANCKEN VNSER GENEDIGER FÜRST VNND HERR AN(N)O 1607". Möglicherweise war die Ziffer "7" früher eine 4 (vgl. Kunstdenkmäler XXI, Mellrichstadt, S. 77).

Auf der anderen Seite der Hauptstraße befindet sich am Beginn der Unteren Torgasse auf einer Profilkonsole ein zweiter, älterer Wappenstein. Er verweist auf den Würzburger Fürstbischof Rudolf II. von Scherenberg (regierte 1466-1495). Sein Wappenschild ist geviert, Feld 1: "Fränkischer Rechen" = von Rot und Silber mit drei aufsteigenden Spitzen geteilt, Herzogtum zu Franken, Feld 2 und 3: in Gold eine rote nach oben geöffnete Schere, von Scherenberg, Feld 4: "Rennfähnlein" = in Blau eine rot-silbern gevierte schräggestellte Standarte mit goldenem Schaft, Hochstift Würzburg. Die Inschrift unterhalb des Wappens ist verlorengegangen. Darüber ist eine zweite, giebelförmige Spolie mit Fächerrosette vermauert, die aufgrund der eingeschlagenen Jahreszahl 1607 und der Initialen "V M L W" nicht zum Scherenberg-Wappen paßt, das auf 1490 zu datieren ist. Kurz nach Bischof Rudolfs Regierung brannte 1496 fast die ganze Stadt ab.

Ein weiteres Wappen in der Nähe des einstigen Oberen Tores im Nordwesten der Altstadt jenseits des Grabens in einer Stützmauer vermauert. Man sieht nur einen Schild in Tartschenform mit zwei Einbuchtungen seitlich, der insgesamt schlecht erhalten ist. Der Schild gehört zum Würzburger Fürstbischof Friedrich von Wirsberg (regierte 1558-1573) und ist geviert: Feld 1: "Fränkischer Rechen" = von Rot und Silber mit drei aufsteigenden Spitzen geteilt, Herzogtum zu Franken, Feld 2 und 3: von Rot und Silber im Zinnenschnitt geteilt, unten gemauert (Farben auch umgekehrt), Stammwappen der von Wirsberg, Feld 4: "Rennfähnlein" = in Blau eine rot-silbern gevierte schräggestellte Standarte mit goldenem Schaft, Hochstift Würzburg. Friedrich von Wirsberg übernahm beim Amtsantritt eine Stadt, die sowohl im Bauernkrieg als auch 1552 im Markgrafenkrieg schwer beschädigt worden war. Das Obere Tor selbst wurde 1818 mitsamt dem Torturm dahinter abgebrochen.

Literatur, Links und Quellen:
Siebmachers Wappenbücher, insbesondere Band Bistümer
Peter Kolb: Die Wappen der Würzburger Fürstbischöfe. Herausgegeben vom Bezirk Unterfranken, Freunde Mainfränkischer Kunst und Geschichte e.V. und Würzburger Diözesangeschichtsverein. Würzburg, 1974. 192 Seiten.
Barbara Schock-Werner, Die Bauten im Fürstbistum Würzburg unter Julius Echter von Mespelbrunn, 536 S., Schnell & Steiner Verlag 2005, ISBN-10: 379541623X, ISBN-13: 978-3795416232, S. 347.
Sehenswürdigkeiten in Mellrichstadt:
http://www.mellrichstadt.rhoen-saale.net/Die-Stadt/Sehenswuerdigkeiten
Simone Stock: Zum Verwittern viel zu schade, Artikel in der Mainpost:
http://www.mainpost.de/regional/rhoengrabfeld/Zum-Verwittern-viel-zu-schade;art777,2416852

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