Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 2891
Mainberg (zu Schonungen, Landkreis Schweinfurt)

Würzburger Amtskellerei in Mainberg

Die ehemalige Würzburger Amtskellerei liegt an der Mainleite direkt unterhalb von Schloß Mainberg, zwischen Berg und Hauptverkehrsader. Es handelt sich um einen zweistöckigen und zweiflügeligen Bau, dessen gleich lange Flügel im rechten Winkel aneinanderstoßen und rückwärtig einen kleinen Hof einschließen. Das Gebäude wird fälschlicherweise auch als "Unteres Schloß" bezeichnet, es war aber kein Herrschaftssitz, obwohl die Qualität der Gestaltung durchaus schloßähnlich ist. Vermutlich ist die Kellerei sogar wohnlicher als das marode Schloß Mainberg, repräsentativer ist sie auf jeden Fall. Heute ist die unmittelbar davor verlaufende Straße eine Last, früher war die exponierte Lage am Main und am wichtigen Handelsweg von und nach Schweinfurt bewußt gewählt, um Macht und Anspruch zu demonstrieren, und deshalb wurden die Schaufassaden auch besonders repräsentativ gestaltet. Hier ging es nicht nur um irgendeine Kellerei, sondern um die Grenze zwischen dem katholischen Würzburg und dem protestantischen Schweinfurt, und deshalb wurde hier bewußt machtvoll repräsentiert.

Der Bauherr der 1708-1710 erbauten Amtskellerei war der Würzburger Fürstbischofs Johann Philipp II. von Greiffenclau, der Architekt war der hochfürstlich würzburgische Stadt- und Landbaumeister Joseph Greissing. Die südwestliche Straßenfassade ist mit elf Fensterachsen ein bißchen länger als die nur zehn Achsen breite Nordwestseite. Das Einfahrtsportal liegt im nordwestlichen Flügel in der Mitte, zwei Achsen breit, rechts und links Platz für je vier Fensterachsen lassend. Der Sockel ist wegen des ansteigenden Geländes zur Straße hin fast stockwerkshoch. Beide Schaufassaden werden durch ein Raster aus horizontalen und vertikalen Linien gegliedert, so daß jedes einzelne Feld mit einem Fenster ausgestattet ist. Das untere Geschoß ist mit toskanischen Pilastern gegliedert, das obere Geschoß mit einfachen Lisenen, die ohne Entasis oben in den querliegenden Wandstreifen übergehen. Die stockwerkweise getrennte Gliederung ist ein typisches Gestaltungsmerkmal von Joseph Greissing, und diese Rahmen- oder Rasterbildung zeigt seine Herkunft und seine Verwurzelung im böhmischen und österreichischen Barock. Die Gebäudeecken werden durch toskanische Kolossalpilaster betont, die aber etwas von der eigentlichen Kante nach innen gerückt sind, was eine interessante Tiefenstaffelung des Eckprofils ergibt.

Über dem von Rustikaquadern eingefaßten Portal ist zwischen den beiden Fenstern des Obergeschosses das Wappen des Würzburger Fürstbischofs Johann Philipp von Greiffenclau-Vollraths (13.2.1652-3.8.1719, amtierte 1699-1719) angebracht. Es ist geviert, Feld 1: "Fränkischer Rechen" = von Rot und Silber mit drei aufsteigenden Spitzen geteilt, Herzogtum zu Franken, Feld 2 und 3: erneut geviert: Feld a und d: silbern-blau geteilt, darüber ein goldenes Glevenrad, Stammwappen der von Greiffenclau-Vollraths, Feld b und c: in Schwarz ein silberner Schräglinksbalken, Herrschaft Ippelbrunn (Eppelborn), Feld 4: "Rennfähnlein" = in Blau eine (von der Stange aus gesehen) rot-silbern gevierte, schräglinksgestellte und an den beiden senkrechten Seiten je zweimal eingekerbte Standarte mit goldenem Schaft, Hochstift Würzburg.

 

Das Wappen wird mit allem geführt, was möglich ist. Über dem oberen Kartuschenrand trägt ein geflügelter Engelskopf den viel zu großen Fürsten- bzw. Herzogshut, und seitlich ragen hinter dem Rollwerk des Kartuschenrandes schrägrechts das gestürzte Schwert und schräglinks der Krummstab hervor. In den beiden unteren Zwickeln der Komposition sitzen zwei nach außen gerichtete Greifen, das Wappentier der Familie. Sie tragen nach unten gebogene Laubgirlanden in ihren Schnäbeln. Und ganz oben werden, dem klassischen Entweder-Oder, Ranghut oder Helme, widersprechend, noch die drei möglichen Kleinode geführt, Helm 1 (Mitte): auf dem Helm mit blau-silbernen Decken eine goldene Greifenklaue mit silbern-blauer Befiederung, Stammkleinod der von Greiffenclau, Helm 2 (rechts): auf dem gekrönten Helm mit rot-silbernen Decken ein Paar Büffelhörner, jeweils im Spitzenschnitt rot-silbern geteilt, Herzogtum zu Franken, Helm 3 (links): auf dem mit einem Fürstenhut gekrönten Helm mit rot-silbernen Decken drei Straußenfedern in den Farben Silber, Rot und Blau zwischen zwei rot-silbern gevierten Standarten mit goldenem Schaft, Hochstift Würzburg. Die äußerst pompöse Gestaltung des Wappens paßt zum Gesamteindruck, daß hier an nichts gespart wurde, um vor den Toren des protestantischen Schweinfurt durch qualitätvolle Architektur aufzutrumpfen und Repräsentation zu zeigen. Im Inneren gibt es ein zweites Wappen des Bauherrn im Saal des Obergeschosses, im Zentrum der aufwendig gearbeiteten Stuckdecke.

Nachdem das Gebäude seine Funktion als Kellerei verloren hatte, gab es hier später ein Weingut mit Heckenwirtschaft. Heute gehört das Gebäude der im Jahr 2008 durch Antonie und  Johann C. Köber gegründeten und in Berlin ansässigen Stiftung Völkerverständigung "bildet" als Grundstockvermögen. Diese Stiftung fördert interkulturelles Lernen und internationale Bildung, vor allem durch Auslands- und Austauschstipendien für Schüler und Studenten, bevorzugte Austauschpartner sind unterfränkische und osteuropäische Jugendliche.

Literatur, Links und Quellen:
Lokalisierung auf Google Maps: https://www.google.de/maps/@50.0562547,10.2889689,20z - https://www.google.de/maps/@50.0562547,10.2889689,83m/data=!3m1!1e3
Mainberg auf Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Mainberg_(Schonungen)#Amtskellerei
Siebmachers Wappenbücher, insbesondere Band Bistümer
Peter Kolb: Die Wappen der Würzburger Fürstbischöfe, hrsg. vom Bezirk Unterfranken, Freunde Mainfränkischer Kunst und Geschichte e.V. und Würzburger Diözesangeschichtsverein, Würzburg, 1974, 192 S.
Die Wappen der Hochstifte, Bistümer und Diözesanbischöfe im Heiligen Römischen Reich 1648-1803, hrsg. von Erwin Gatz, von Clemens Brodkorb, Reinhard Heydenreuter und Heribert Staufer, Schnell & Steiner Verlag 2007, ISBN 978-3-7954-1637-9
Johann Philipp von Greiffenclau-Vollraths in Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Johann_Philipp_von_Greiffenclau_zu_Vollraths
Familie von Greiffenclau in Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Greiffenclau
Johannes Kreuzenbeck: Johann Philipp von Greiffenclau-Vollraths, in: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon, Bd. 31, Bautz, Nordhausen 2010, ISBN 978-3-88309-544-8, Sp. 537-538
Johann Philipp von Greiffenclau-Vollraths im Würzburg-Wiki:
http://wuerzburgwiki.de/wiki/Johann_Philipp_von_Greiffenclau
Winfried Romberg (Bearb.): Die Würzburger Bischöfe von 1684 bis 1746, Germania Sacra. Dritte Folge Nr. 8, die Bistümer der Kirchenprovinz Mainz, das Bistum Würzburg 8, De Gruyter, Berlin/Boston 2014,
https://rep.adw-goe.de/handle/11858/00-001S-0000-0023-9A8C-9 - https://rep.adw-goe.de/bitstream/handle/11858/00-001S-0000-0023-9A8C-9/3.F._8_Romberg_Bischoefe.pdf?sequence=1&isAllowed=y
Johannes Mack: Der Baumeister und Architekt Joseph Greissing, mainfränkischer Barock vor Balthasar Neumann, hrsg. von der Gesellschaft für fränkische Geschichte, VIII. Reihe: Quellen und Darstellungen zur fränkischen Kunstgeschichte, c/o Verlag Ph. C. W. Schmidt, 1. Auflage 2009, 797 S., ISBN-10: 3866528167, ISBN-13: 978-3866528161, S. 167-169, S. 621
Stiftung Völkerverständigung "bildet":
https://www.stiftung-vvb.org/index.php - https://www.stiftung-vvb.org/seite/422887/denkmalschutz.html

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