Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 3033
Geisenheim (Rheingau-Taunus-Kreis)

Das Palais Ingelheim in Geisenheim ("Schloß Kosakenberg")

Dieser historische Adelshof liegt direkt nördlich der Bahntrasse (Bahnstraße 1) schräg gegenüber vom Bahnhof. Er trägt zwei Bezeichnungen, den historisch korrekten Namen Palais Ingelheim nach den ehemaligen Eigentumsverhältnissen und den künstlichen Namen Schloß Kosakenberg nach der nördlich dahinter am Hang liegenden Weinlage, wobei dieser Name erst seit der Mitte des 20. Jh. eingeführt wurde, als sich das Anwesen nicht mehr im Besitz der gräflichen Familie befand und der Name "Ingelheim" nicht vom in der Immobilie ansässigen Weingut verwendet werden konnte. Die betreffende Einzellage heißt Kosakenberg, weil sich dort zur Zeit der Befreiungskriege gegen Napoleon 1813 ein Kosakenlager befunden haben soll. Es handelt sich beim Palais Ingelheim um eine große, zweistöckige Zweiflügelanlage mit weiteren parallel zum Hauptgebäude im Südwesten angeordneten Nebengebäuden (Wirtschaftsgebäude aus dem 19. Jh. und ein Nebengebäude mit der 1706 erbauten, später klassizistisch umgebauten Kapelle) und mit einem ausgedehnten, 120 m langen und ca. 60 m breiten  Parkgelände im Nordosten, dem am Nordostflügel ein großer Giebel zugewandt ist. Der Park reicht bis zum benachbarten Weingut Grimm.

Der Mainzer Fürstbischof Anselm Franz von Ingelheim (6.9.1634-30.3.1695, amtierte 1679-1695) kaufte das Anwesen, das seit 1536 als freiadeliges Gut genannt wird, im Jahre 1679 von Georg Anton von Riedt und baute es sich bis 1683 als private Sommerresidenz um. Er wurde als Landesherr Opfer der Franzosenkriege: Er hatte nur 800 Mann zur Verfügung, um die von seinen Vorgängern neu erbaute Festung Mainz zu verteidigen, deshalb mußte er sie 1688 den Franzosen übergeben. Er selbst zog sich dann nach Erfurt und Aschaffenburg zurück. Nach dem Tod des Fürstbischofs erbte sein Patenneffe Franz Adolph Dietrich von Ingelheim (15.12.1659-15.9.1742), Vicedom im Rheingau, kaiserlicher wirklicher Geheimrat, Reichskammerrichter zu Wetzlar und Erbauer des Ingelheimschen Palais in Wetzlar, 1695 das Anwesen. "Neffe" stimmt nicht ganz: Der Urgroßvater des Fürstbischofs war der Ururgroßvater des Erben, die Verwandtschaft lief also um drei aufsteigende und vier absteigende Ecken. Seitdem diente das Anwesen bis 1941 als Hauptwohnsitz der Reichsgrafen von Ingelheim. Gräfin Leopoldine Johanna Anna Maria Marta von Ingelheim, geb. Schenk Gräfin von Stauffenberg (29.7.1887-28.4.1975), Witwe von Philipp Rudolf Anselm Franz Graf von Ingelheim gen. Echter von und zu Mespelbrunn (7.3.1883-14.9.1933), verkaufte die Immobilie dann an die Weinhändlerfamilie Horz, später Horz-Wegeler, der sie heute noch gehört. Der Verkauf war leider notwendig geworden, weil ihr Ehemann ein Verschwender war und die Familie in maßlose Verschuldung gestürzt hatte. Aktuelle Besitzer und Weingutsbetreiber sind Sandra Decker-Horz und Mathias Decker-Horz.

Der Nordwestflügel ist der etwas ältere von beiden. Dieser Hauptflügel mit hohem Walmdach ist 10 Fensterachsen breit und geht im Kern auf einen älteren Bau aus dem 16. Jh. zurück. Diamantquaderung betont die Ecken. Die Befensterung wurde im 19. Jh. stark verändert. Wie das etwa früher ausgesehen haben muß, kann man an der linken Schmalseite sehen, wo sich noch die vermauerten originalen Renaissance-Gewände erhalten haben. Der Nordostflügel ist rechtwinklig an das Hauptgebäude angesetzt und besitzt ein niedrigeres Walmdach. Der Eingang mit Ohrenumrandung ist auf dem Sturz auf 1683 datiert. Zum Garten hin besitzt dieser Flügel ein breites Zwerchhaus, das aber erst in der ersten Hälfte des 19. Jh. so ausgebaut worden ist.

Am Hauptgebäude, dem Nordwestflügel, ist eine kunstvolle Vorhalle mit über toskanischen Säulen gespannten flachen Bögen angebaut, an der sich auf der Brüstung des Obergeschosses die hier gezeigte rechteckige Wappentafel im Stil des Manierismus befindet. In der Mitte wird das Vollwappen der von Ingelheim (in Schwarz ein rot-golden geschachtes, durchgehendes Kreuz, auf dem Helm mit rot-goldenen Decken ein schwarzer Flug, mit einem rot-golden in zwei Reihen geschachten Kreuz belegt) innerhalb eines Laubkranzes dargestellt. Es handelt sich aufgrund der Ahnenprobe zwar um das Wappen des Fürstbischofs, doch ohne Hinweise auf sein Amt, weil es ein privates Anwesen war. Sein Amtswappen sehen wir beispielsweise im nahen Eltville in der Burg. Die Ahnenprobe besteht aus vier Kartuschen, die oberen nach innen und die unteren nach außen geneigt. Die oberen und die unteren Kartuschen sind mit ihren hakenförmigen Zierausläufern miteinander verhakt. Zwei Engel halten die jeweils oberen Kartuschen. Unten befand sich eine lange Inschriftenkartusche, in der sich aber keinerlei textlicher Inhalt erhalten hat.

Anselm Franz von Ingelheim war der Sohn von Georg Hans von Ingelheim (-1648), kurmainzischer Marschall, und dessen Frau, Anna Elisabeth von Sturmfeder zu Oppenweiler. Entsprechend wiederholt sich heraldisch rechts oben der Ingelheim-Schild wie beschrieben, und links oben sehen wir den Schild der von Sturmfeder (in Blau zwei aufrecht nebeneinanderstehende und mit den Schneiden nach auswärts gewendete goldene Streitäxte mit goldenen Stielen).

Die Großeltern waren väterlicherseits Marsilius Gottfried von Ingelheim (-20.7.1619) und Amalia Langwerth von Simmern (-1615), mütterlicherseits Wolff Friedrich Sturmfeder von Oppenweiler (-1625) und Elise/Elisabeth Nagel von Dirmstein. Entsprechend sehen wir rechts unten das Wappen der Langwerth von Simmern (in Schwarz eine goldene Lilie, darüber ein dreilätziger blauer Turnierkragen) und links unten dasjenige der Nagel von Dirmstein (geteilt, oben eine 3er-Reihe golden-schwarzer Eisenhutfeh, unten in Gold ein roter Löwe).

Oberhalb der feingliedrig gearbeiteten Wappentafel ist zwischen den seitlichen Pilastern anstelle hier erwarteter Fenster eine große Sonnenuhr angebracht, darüber erhebt sich ein Spätrenaissance-Giebel mit einem profilierten Rundfenster, dreifachem Roll- und Schweifwerk mit Hörnern an den Seiten und einer über einem kurzen Gesims abschließenden halbkreisförmigen Muschellünette. Die Tür mit sprossengeteiltem Oberlicht, die unter der Vorhalle ins Hauptgebäude führt, stammt aus dem 19. Jh.

Ein zweites Ingelheim-Wappen befindet sich an einem zweistöckigen Nebengebäude im Südwesten direkt an der Bahnstraße, angebracht an der nordöstlichen Giebelseite. Diese Wappentafel  besteht nur aus dem Vollwappen wie oben beschrieben innerhalb eines Laubkranzes und ebenfalls ohne Inschrift.

Heute wird das Anwesen als Weingut genutzt, das den Namen "Weingut Freiherr von Zwierlein" trägt nach Christian Jakob Freiherr von Zwierlein, der 1784 ein Weingut gründete. Die Betreiberfamilie Horz hatte 1976 die Firma Weingut Freiherr von Zwierlein übernommen, nicht aber das in der Nachbarschaft befindliche Palais Zwierlein, so daß das Weingut unter dem Namen des Nachbarn auf dem Gelände des Palais Ingelheim betrieben wird. Der Name paßt nicht zum Palais, sondern zur Firma. Weiterhin werden die Gebäude von einer Vielzahl von Wohngemeinschaften für Geisenheimer Studenten genutzt. Dazu sind auf dem Gelände der Wirtschaftsbauten mehrere moderne Neubauten und ein ganzer Wohnblock errichtet worden.

Literatur, Links und Quellen:
Lokalisierung auf Google Maps: https://www.google.de/maps/@49.9857869,7.9671768,19z - https://www.google.de/maps/@49.9858407,7.9673724,74m/data=!3m1!1e3
Webseite des Weinguts:
https://www.schloss-kosakenberg.de
Schloß Kosakenberg:
https://www.rheingau.de/sehenswertes/schloesser/schloss-kosakenberg
Dagmar Söder: Rheingau-Taunus-Kreis I. Altkreis Rheingau (Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland - Kulturdenkmäler in Hessen), hrsg. vom Landesamt für Denkmalpflege Hessen, Verlag wbg Theiss in Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2014, 1115 S., ISBN-10: 3806229872, ISBN-13: 978-3806229875, S. 395 ff., insbesondere S. 417-419

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