Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 3034
Geisenheim (Rheingau-Taunus-Kreis)

Das Schloß Schönborn in Geisenheim (ehem. Stockheimer Hof)

Schloß Schönborn steht im Nordosten der Geisenheimer Altstadt, ca. 240 m vom Rheingauer Dom und 80 m vom Bahnhof entfernt (Winkeler Str. 64). Zur Bauzeit stand das Schloß außerhalb der geschlossenen Wohnbebauung. Der Zugang erfolgt von Südosten; das Tor liegt an der Winkeler Straße. Im Westen, Norden und Osten  ist das an drei Seiten freistehende Schloß von einem ummauerten Weinberg umgeben. Die freie Lage gibt dem Bau eine gute Fernwirkung. Der rechteckige Schloßbereich ist reihum von einer Mauer bzw. einem Zaun gegen Straße und Weinberg abgegrenzt; das Herrenhaus nimmt die Nordecke dieser Fläche ein. Das rechteckige, dreistöckige Gebäude mit steilem, verschiefertem Satteldach und sehr steilen, gebrochenen Walmen besitzt auf der Südostseite einen polygonalen Treppenturm mit Spitzhelm in der Fassadenmitte und auf der nordöstlichen Giebelseite einen angebauten Standerker, dessen beide leicht vorkragenden Fachwerkgeschosse allerdings aus dem 19. Jh. stammen (1874-1875), als der Graf von Schönborn die Wiederherstellung "im Renaissance-Stil des 17. Jh." befohlen hatte und zur Ausführung den Frankfurter Architekten Heinrich Theodor Schmidt beauftragt hatte. Dabei wurde auch eine zwischenzeitlich eingebaute Hauskapelle entfernt. Alle vier Ecken tragen im zweiten Obergeschoß kleine, auf Konsolen und Rundbögen vorkragende Türmchen mit Spitzhelm, was das Gebäude besonders malerisch aussehen läßt. Diese Ecktürmchen wurden 1875 erneuert. Am Steinbau wurden bei diesen Baumaßnahmen nur einige Fensteröffnungen verändert. Auch das Verwalterhaus stammt aus dem 19. Jh. Die Wirtschaftsgebäude (Kelterhaus, Stallgebäude, Scheune mit Gewölbekeller) stammen aus dem 18. und 19. Jh.

Das für Herrenhäuser am Mittelrhein typische Gebäude wurde 1550 von der Familie von Stockheim erbaut, weshalb das Schloß auch als ehemaliger Stockheimer Hof bezeichnet wird. Die genannte Jahreszahl befindet sich auf der Südostseite auf einem Fenstersturz im zweiten Obergeschoß östlich des Treppenturms. Welcher Herr von Stockheim genau das Herrenhaus errichtet hat, ist nicht sicher geklärt. Vermutlich war der Bauherr Hermann von Stockheim. Nicht auszuschließen wäre der Rheingauer Viztum Friedrich von Stockheim, der aber vorwiegend in Eltville lebte, wo auch seine Ehefrau Agnes von Koppenstein begraben ist. Dennoch ist von ihm bekannt,  daß er ein Haus in Geisenheim gehabt hat, und das Baujahr wäre noch im Bereich seiner letzten Lebensjahre, doch wird vermutet, daß es sich dabei um den Zwierleinshof gehandelt hat. Der Stockheimer Hof entstand zwar in der Mitte des 16. Jh., ist stilistisch jedoch traditionell und orientiert sich am mittelalterlichen Wehrbau, repräsentiert aber gleichzeitig den Übergang zum wohnlichen und repräsentativen Landsitz des Adels (das zwei Jahre ältere Hilchenhaus in Lorch ist da bereits stilistisch viel fortgeschrittener). Ähnliche Höfe errichtete die Familie von Stockheim in Eltville und in Idstein, der Hof in Geisenheim ist jedoch der größte und repräsentativste. Eine gewisse überregionale Bedeutung erlangte der Hof 1646, als hier Vorverhandlungen zum Westfälischen Frieden stattfanden.

1652 kam das Anwesen an die Familie Schönborn; der Käufer war Philipp Erwein Freiherr von Schönborn (1607-4.11.1668), vermählt mit Maria Ursula von Greiffenclau-Vollraths (15.7.1612-28.8.1682). Dieses Paar begegnet uns im Rheingauer Dom mit Grabplatte und Epitaph. Die barocke Innenausstattung mit Holztäfelung und Schnitzereien an Decken, Wänden und Türen stammt vom Ende des 17. Jh., wurde aber im 19. Jh. umfangreich erneuert. Seit 1652 ist das Anwesen ununterbrochen im Besitz der Familie. Nach der Wiederherstellung 1875 wurde das Schloß für 99 Jahre an die Familie Hoehl/Augustini verpachtet. Heute gehört das Schloß zu dem gleichnamigen Hattenheimer Weingut, das ebenfalls im Besitz der Familie Schönborn ist. Gegenwärtiger Eigentümer ist Paul Graf von Schönborn-Wiesentheid. Das Geisenheimer Schloß Schönborn wird nicht bewohnt, sondern für Tagungen, Firmen- und Familienfeiern vermietet. Nebengebäude sind an Firmen vermietet.

Der Treppenturm ist achteckig, nur am Sockel weitet er sich zu einem viereckigen Kellerzugang. Das spitzbogige, gekehlte Portal zum Herrenhaus befindet sich links neben dem Treppenturm, und dort ist ein Wappen der Familie von Stockheim angebracht (Abb. oben), unter goldenem Schildhaupt in Schwarz ein goldenes Schräggitter. Die Holztür darunter ist historistisch, wobei alte Teile verwendet wurden. Der Treppenturm wird von der Diele dahinter aus betreten; dieser Zugang besitzt eine spitzbogige Tür mit plastischer Barockschnitzerei und der Jahreszahl 1683. Weitere Wappen der Familie von Stockheim sind im Inneren angebracht, z. B. über besagter Tür zum Treppenturm, mit Meerjungfrau und Wassermann als Schildhaltern. Die Spindel ist bis ins zweite Obergeschoß aus Stein, nur im Dachzugang aus Holz. In den Fluren des Erdgeschosses sind vier Türen mit reichgeschnitzten Gewänden, mit Hermenpilastern, Blütengebinden und Engelsköpfen zu sehen. Ein weiteres Stockheim-Wappen befindet sich im westlichen Raum des Erdgeschosses auf der Steinkonsole des Fenstersturzes.

Literatur, Links und Quellen:
Lokalisierung auf Google Maps: https://www.google.de/maps/@49.9848376,7.9685061,19z - https://www.google.de/maps/@49.9848433,7.9685219,91m/data=!3m1!1e3
Webseite zum Schloß auf Rheingau Exclusiv:
http://www.rheingau-exklusiv.de/
Schloß Schönborn auf Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Schloss_Schönborn_(Geisenheim)
Schloß Schönborn auf den Rheingau-Seiten:
https://www.rheingau.de/sehenswertes/schloesser/schloss-schoenborn
Weingut Schloß Schönborn:
https://weingut-schloss-schoenborn.de/
Dagmar Söder: Rheingau-Taunus-Kreis I. Altkreis Rheingau (Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland - Kulturdenkmäler in Hessen), hrsg. vom Landesamt für Denkmalpflege Hessen, Verlag wbg Theiss in Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2014, 1115 S., ISBN-10: 3806229872, ISBN-13: 978-3806229875, S. 395 ff., insbesondere S. 469-472

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