Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 3129
Eberhardzell (Landkreis Biberach)

Der ehemalige Pfarrhof und das heutige Rathaus in Eberhardzell

Eberhardzell gehörte im Mittelalter den Herren von Walsee, die ihn 1331 an die Habsburger verkauften. Herzog Albrecht von Österreich schenkte der Prämonstratenserabtei Schussenried im Jahre 1456 die Pfarrei von Eberhardzell. Der Ort selbst gehörte ab 1520 größtenteils den Truchsessen von Waldburg-Wolfegg-Waldsee. Das Kloster Schussenried inkorporierte die Pfarrei und errichtete die spätgotische Pfarrkirche. Sie wurde 1711-1713 unter der Ägide des Klosters barockisiert. 1736 baute das Kloster eine Zehntscheuer im Ort zur Verwaltung der Naturalabgaben. 1746-1747 ließ Abt Siardus Frick seinen Klosterbaumeister Jakob Emele im Norden der Pfarrkirche senkrecht zur Zehntscheuer ein neues Gebäude errichten, das für einen Pfarrhof so groß dimensioniert und aufwendig war, daß sein zweiter Zweck nicht zu übersehen ist: Es sollte den Äbten und Chorherren von Schussenried als Sommerresidenz dienen. Mit der Auflösung der geistlichen Territorialherrschaften fielen das Kloster und der zugehörige Grundbesitz in Eberhardzell durch den Reichsdeputationshauptschluß 1803 an die Grafen von Sternberg-Manderscheid als Entschädigung für erlittene linksrheinische Gebietsverluste. Mit der Mediatisierung kam alles 1806 unter königlich-württembergische Staatshoheit. Die Gemeinde Eberhardzell erwarb das ganze Areal nach dem Zweiten Weltkrieg, verkaufte es aber nur ein Jahr später weiter an die Diözese Rottenburg. Vor 1988 erwarb die Gemeinde das Areal zurück.

Das auf leicht abfallendem Gelände errichtete, schloßartige und breit gelagerte Anwesen ist zweistöckig über einem Kellergeschoß und trägt ein Walmdach. An der nach Westen gerichteten Längsseite besitzt es 9 Fensterachsen, die beiderseits der abgesetzten und durch einen Zwerchgiebel betonten Mittelachse paarweise durch Kolossallisenen zusammengefaßt sind. Zum in der Mittelachse positionierten Portal führt eine symmetrische, doppelläufige Freitreppe. Auch die nach Osten gerichtete Gartenseite ist gleichermaßen gegliedert und hat dort ebenfalls einen Zwerchgiebel. Die Schmalseiten besitzten 5 Fensterachsen, wobei wiederum das Schema der paarweise zusammengefaßten Achsen beiderseits der einzeln von Lisenen flankierten Mittelachse auftritt. Innen besitzt dieses Wohngebäude insgesamt 24 Zimmer. Zum Hof hin gibt es zwei Kellereingänge, einen in der Mitte und einen an der tiefsten Stelle links am Rand. An der Nord- und Westseite des Hofes befinden sich die Zehntscheuer und ehemalige Ökonomiegebäude aus den 1730er-Jahren; gemeinsam bilden die Gebäude eine nach nach Süden geöffnete Hofanlage aus. Die Zehntscheuer war 1949 zum Exerzitienhaus und Erholungsheim umgebaut worden. Später wurde sie als Seniorenheim genutzt. Das frühere Ökonomiegebäude wird seit 1966 als Gemeindehaus St. Margaretha genutzt. Die ehemalige Sommerresidenz blieb bis 1974 Pfarrhaus, seit 1992 dient das Gebäude der Gemeinde als Rathaus. Das Gebäude wurde 1988-1992 von der Gemeinde aufwendig saniert, danach folgten der Umbau von Rathaushof und Zehntscheuer.

Über dem Portal des Wohngebäudes ist im Ziergiebel der Wappenstein eingelassen, in der heraldisch rechten Kartusche sehen wir das Klosterwappen, in Silber ein roter, gekrönter und doppelschwänziger Löwe, hier aus Courtoisie einwärts gewendet. Das persönliche Wappen des Schussenrieder Abtes Siardus I. Frick ist in der heraldisch linken Kartusche zu sehen, es ist geteilt, oben in Gold aus der Teilungslinie wachsend ein schwarzer Adler, unten in Blau ein schreitender goldener doppelschwänziger Löwe, der mit der rechten Vorderpranke einen gestürzten Pfeil hält. Darüber trägt ein Engelskopf ruht die Mitra des infulierten Abtes, schrägrechts ragt der Krummstab hervor, schräglinks das gestürzte Schwert der Reichsabtei. Es gibt weitere Wappen dieses Abtes innen in der Wallfahrtskirche Steinhausen, im Fresko über der Orgel in der Pfarrkirche St. Magnus (ehemalige Klosterkirche) Schussenried, an dem Schussenrieder Hof in Hagnau am Bodensee (Hauptstraße 24), an der ehemaligen Zehntscheune (heute Wohnhaus) in Winterstettendorf (Waldseerstraße 7), sowie auf seinem Epitaph im ehemaligen Kreuzgang Schussenried.

Das Bauherr ist der damals amtierende Schussenrieder Abt Siardus I. Frick (lebte 13.5.1679-8.2.1750, amtierte 1733-1750). Siardus Frick stammte aus Mengen (Landkreis Sigmaringen) und war der Sohn von Ratsherr Johannes Frick und Maria Dilger. Sein Taufname war Michael Frick, und er besuchte zunächst die Schule in Mengen. Nach seinem am 24.11.1697 erfolgten Klostereintritt bei den Prämonstratensern in Schussenried, wobei er den Klosternamen Siardus annahm, legte er 1699 die Profeß ab. Er studierte Theologie und feierte 1704 seine Primiz. Unter Abt Tiberius Mangold kam er die ersten sechs Jahre im Kloster nicht weit, erst unter Abt Innozenz Schmid wurde er gefördert. 1711 wurde er Küchenmeister (Culinarius), 1712 wurde er Verwalter der vom Kloster eingenommenen Naturalien-Abgaben und der Lagerspeicher (Granarius) und 1715 wurde er als Kellerer Verwalter der Klosterwirtschaft (Cellarius). Unter Abt Didakus Ströbele war er zunächst 1720-1722 Pfarrvikar in Otterswang (Landkreis Biberach) und danach 1722-1732 Pfarrvikar in Attenweiler (Landkreis Biberach). Nach der mehr oder weniger erzwungenen Abdankung von Abt Didacus Ströbele wählte der Klosterkonvent ihn am 21.1.1733 zum 20. Abt.

Er schaffte es, sich gegen den Generalvikar der schwäbischen Zirkarie, Hermann Vogler, Abt von Rot, durchzusetzen. Letzterer war die treibende Kraft für die forcierte Abdankung des Amtsvorgängers gewesen. Siardus Frick emanzipierte sich erfolgreich und erreichte beim Ordensgeneral, daß dem Generalvikar, der auch gegen Frick selbst zu intrigieren versuchte wegen angeblich zu harter Führung, auf Lebenszeit weitere Einmischungen in die Schussenrieder Angelegenheiten untersagt wurden. Das war ein Sieg auf der ganzen Linie für Frick.

Er wurde ein Bauabt, der bis 1735 die Wallfahrtskirche Steinhausen vollendete, im selben Jahr das Gnadenbild in die neue Kirche überführte und 1744-1748 die Barockisierung der Klosterkirche Schussenried vorantrieb. In den zum Kloster gehörenden Besitzungen und Patronatskirchen ließ er mehrere Pfarrkirchen, Pfarrhöfe und Amtshöfe errichten, in Zusammenarbeit mit dem Baumeister Jakob Emele, so auch diesen hier in Eberhardzell. Danach ging er im Alter von 69 Jahren an sein größtes Bauvorhaben, den Bau einer völlig neuen Klosteranlage in Schussenried selbst. Dazu stand ihm der Baumeister Dominikus Zimmermann zur Seite, der schon die Kirche in Steinhausen entworfen hatte. Er starb aber schon im übernächsten Jahr, so daß er noch nicht einmal den ersten Spatenstich zu seinem Lieblingsprojekt erleben konnte. Erst sein Nachfolger führte den Neubau aus. Weiterhin war dieser Abt für seine Liebe zu didaktischem Theater bekannt, zu Passionsspielen, Maskeraden, Fastnachtsspielen etc. Siardus Frick starb im Alter von 70 Jahren und wurde in der Kapitelskirche Schussenried bestattet.

Liste der Äbte von Schussenried:
Abt, hier mit Wappen vertretener Abt, sonstige Wappenfundstellen

Literatur, Links und Quellen:
Lokalisierung auf Google Maps: https://www.google.de/maps/@48.0029526,9.8239922,19z?entry=ttu - https://www.google.de/maps/@48.0029526,9.8239922,168m/data=!3m1!1e3?entry=ttu
Eberhardzell auf Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Eberhardzell
Eberhardzell auf Leo-BW:
https://www.leo-bw.de/en-GB/detail-gis/-/Detail/details/ORT/labw_ortslexikon/17168/Eberhardzell
Siard Frick auf Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Siard_Frick
Pius Bieri: Abt Siard Frick, im Projekt "Süddeutscher Barock":
https://www.sueddeutscher-barock.ch/In-Bauherr/s-z/Schussenried_Frick.html
Paul Beck: Zum siebenhundertjährigen Jubiläum des Prämonstratenser-Reichsstifts Schussenried. Separatabdruck aus dem „Deutschen Volksblatt“. Stuttgart 1883, Nachdruck in: Paul Beck und Bernhard Rueß: Beiträge zur Geschichte Schussenrieds, Federseeverlag, Bad Buchau 1981
Alfons Kasper: Das Prämonstratenser-Stift Schussenried, Teil 1 und 2, Schussenried 1960
Karl Kaufmann: Die Äbte des Prämonstratenser-Reichsstifts Schussenried 1404-1803, Schussenried 1985
Eintrag auf Bauforschung BW:
https://www.bauforschung-bw.de/objekt/id/113952648019/ehem-pfarrhaus-heute-rathaus-in-88436-eberhardzell/

Neidegg-Epitaph in der Pfarrkirche

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