Bernhard Peter
Wappen der Damenwelt

Welches Wappen führt eine Frau?
Blütezeit der Heraldik, Hohes Mittelalter:

Ehewappen ab ca. 16. Jh.:

Verheiratete Frau: Fast ausschließlich in Form des Ehewappens. Das Ehewappen ist eine Verbindung des Wappen des Ehemannes mit dem Wappen der eigenen väterlichen Familie. Dazu gibt es mehrere Möglichkeiten (Darstellungen siehe eigene Seite Ehewappen - Multiple Ehewappen):

Witwen: Führen Wappen wie zu Lebzeiten des Mannes (beide Wappen)

Wiederverheiratete Witwen: System der Schildteilungen wird komplexer:

Wenn die elterlichen Wappen mitvereinigt werden, so befinden diese sich auf einem Herzschild.

Heraldische Courtoisie: Das Wappen des Mannes ist heraldisch rechts, d. h. vorne (der Angriffsseite bei einem Ritter, der, höflich wie er ist, diese Seite der Dame gegenüber deckt). Das Wappen des Ehemannes ist in allen Teilen (auch der Schildinhalt!) seitenverkehrt, weil es gewendet werden muß, um das Wappen der Frau anzusehen. Das gilt auch ggf. für unterteilte Schilde: Viertel Nr. 1 zeigt den Inhalt von Viertel Nr. 2, Viertel Nr. 3 den von Nr. 4! Ausführliche Diskussion hier: Courtoisie.

Heutiges Recht: Das Recht der Wappenführung folgt dem Namensrecht. Eine Ehefrau führt das Wappen des Ehemannes, wenn sie dessen Namen trägt. Jede Frau darf ein Wappen stiften und bei der Stiftung selbst den Kreis der Führungsberechtigten festlegen. Bei einer Heirat mit Annahme des Namens des Ehemannes geht das Wappen mit dem Namen verloren. Der früher genutzte darstellerische Spielraum im Sinne von kombinierten oder vereinigten Ehewappen wird heute eher selten genutzt.

Rautenförmige Schilde
Rautenförmige Schilde sind Frauen vorbehalten. Sie wurden erfunden, weil ein richtiger Schild zu kriegerisch erschien. Das Auftreten der Rautenschilde findet sich eher im 15. - 18. Jh. Sie kommen mehr in der französischen und insbesondere in der englischen Heraldik vor als in der deutschen. Aus den Benelux-Ländern sind sie ebenfalls bekannt. Prinzipiell ist diese Institution etwas, das nach den traditionellen heraldischen Regeln der Blütezeit nicht vorgesehen ist und eine Spielart der "Papierheraldik" bzw. "Diplomheraldik" darstellt. Nichtsdestotrotz fand das System in Frankreich (Ursprung), den Niederlanden und dem Rheinland sowie in Großbritannien Anwendung. In Deutschland ist es eher selten. Eigentlich sind sie aus der Sicht eines heraldischen Puristen Schnickschnack der Zeit jenseits der heraldischen Blütezeit und insbesondere der Papierheraldik, und die Existenz derselben sollte uns nicht zur Nachahmung ermuntern, zumal in heutiger Zeit auch diesbezüglich der Emanzipation Rechnung getragen werden sollte, denn es ist reichlich diskriminierend, in heutiger Zeit Frauen das Recht auf einen korrekten Schild zu nehmen. In der deutschen Heraldik haben sich Rautenschilde nie richtig etabliert. Und dennoch gibt es sie, der Mode ihrer Zeit entsprechend, häufig eine fakultativ gewählte Form, je nach Land und Zeit mehr oder weniger konsequent eingesetzt.

Abb. links: ein Beispiel aus der Vorhalle von St. Martin in Lorch im Mittelrheintal. Die gußeiserne Platte mit dem Allianzwappen erinnert an "ANNO 1666 DEN 27 IVNI IST IN GOT ENTSCHLAFEN DIE EHR VND TVGENTREICHE FRAW ELISABETHA GODEFRIDI IHRES ALTERS 62 IAHR DES EHR VND ACHTBAREN HERN PETRI BRESMAL DES GERICHTS IN LORCH EHLICHE HAVSFRAW BEIDE GEBVRDIG VON LVTTIG". Heraldisch rechts ist das Wappen des Ehemannes dargestellt, mit einem ordentlichen Schild, das Wappenbild Bresmal enthaltend. Heraldisch links ist der Wappenschild der Frau dargestellt, dafür wurde ein Rautenschild gewählt. Da man bei dieser Art der Darstellung dem Wappen der Frau den Bezug zu tatsächlichen Schutzwaffen nahm, entfällt bei ihr auch das Oberwappen. Beide Schilde sind unter Helm und Helmzier des Ehemannes vereinigt.

Abb. rechts: ein Beispiel aus der Dekanatskirche Niederwiltz (Luxemburg), metallenes Personendenkmal für Françoise Antoinette de Custine, Gräfin von Wiltz. Hier finden wir einen von einer Krone überhöhten Rautenschild mit dem vermehrten Wappen Custine de Wiltz, Feld 1 und 4: golden mit rotem Schildhaupt (Wiltz), Feld 2 und 3: schwarz mit silbernen Lilien besät (Lombut), Herzschild: in Silber ein schwarzer, beiderseits von einer ebensolchen Schrägleiste begleiteter Schrägbalken (Custine). Die Inschrift unter dem Rautenschild lautet: "CY GIST FRANCOISE ANTOINETTE NÉE COMTESSE DE WILTZ DÉCEDÉE LE 28 MAY 1734 ÂGÉE DE 15 ANS REQVIESCAT IN PACE" (Veröffentlichung der Innenaufnahme mit freundlicher Genehmigung von Herrn Dechant Martin Molitor vom 11.5.2010, wofür ihm an dieser Stelle ganz herzlich gedankt sei).

Abb. links: Ein undatiertes heraldisches Exlibris mit Rautenschild, in historisierendem, etwas schlichtem Stil entworfen von Gustav Adolf Closs (6.5.1864-3.9.1938) für Brigitta Freiin Hiller von Gaertringen (gespalten, rechts eine silberne Hellebarde auf drei goldenen Schräglinksbalken in rotem Feld, links in Silber ein blauer Pfahl, dieser belegt mit einer weiteren, silbernen Hellebarde, die Schneide jeweils nach außen gekehrt). Typischerweise wird bei Rautenschilden kein Oberwappen dargestellt.

Abb. rechts: Rautenförmiges Wappen der Prinzessin Dorothea von Dänemark (10.11.1520 - 1580), die am 26.9.1535 in Heidelberg Kurfürst Friedrich II. von der Pfalz (9.12.1482 - 26.2.1556) geheiratet hatte, an der früheren kurfürstlichen Regierungskanzlei in Amberg (Regierungsstraße 8). Hauptschild: Durch ein silbernes, rot gesäumtes Kreuz (Danebrog-Kreuz) geviert, Feld 1: In goldenem, mit roten Herzen (fehlen hier) bestreuten Feld drei blaue gekrönte, hersehende Löwen übereinander (Königreich Dänemark), Feld 2: In Blau 3 (eigentlich 2:1, hier aber wegen des Rautenschildes 1:2) goldene Kronen (Königreich Schweden), Feld 3: In Rot ein goldener Löwe, der in den Vorderpranken eine krummgestielte Streitaxt schwingt (Königreich Norwegen), Feld 4: In Rot ein goldener Drache oder Lindwurm (Königreich der Wenden), Mittelschild: geviert, Feld 1 und 4: In Gold zwei blaue, rotbewehrte, hersehende Löwen übereinander (Herzogtum Schleswig), Feld 2: In Rot ein silbernes Nesselblatt, je nach Darstellung an den drei Ecken zu einem Nagel ausgezogen, in der Mitte ein silbern-rot geteiltes Schildchen (Herzogtum Holstein), Feld 3: In Rot ein silberner, schwarz bewehrter Schwan mit einer goldenen Krone um den Hals (Herrschaft Stormarn), Herzschild: In Gold zwei rote Balken (Grafschaft Oldenburg).

 

Abb. links: rautenförmiger Schild für Ellie Bridson, entworfen von Adolf M. Hildebrandt (16.6.1844-30.3.1918) (Exlibris aus dem Jahr 1896). Abb. rechts: Rautenschild für Lady Anne Hamilton-Dalrymple (2.7.1820-10.8.1919), die Tochter von North Hamilton-Dalrymple (1776-9.11.1864), 9th Earl of Stair, und dessen erster, am 27.5.1817 geehelichten Frau, Margaret Penny (-23.4.1828), und Ehemann von Sir John Dick-Lauder of Fountainhall, 8th Baronet.

Dieses Bücherzeichen stammt von Charles William Sherborn (1831-1912); seine Initialen als Stecher "CWS Sc." sind rechts unten außerhalb des Rahmens angebracht. Links unten sind weitere Initialen, "TDL In." das steht vermutlich für Sir Thomas North Dick Lauder of Fountainhall, 9th Baronet (28.4.1846-19.6.1919) als Besteller des Stichs; das war der Sohn der Exlibrisbesitzerin, der selbst auch für sich ein Exlibris bei Sherborn in Auftrag gab. Das Wappen hat die für Damen im Angelsächsischen übliche Rautenform, hier mit üppigem Rollwerkrahmen und mit bequasteten Schnüren in den vier Zwickeln. Der Schild ist als Allianzwappen gespalten, mit je einer Spalthälfte für jeden Ehepartner.

 

Beide Abb. oben: Diese Kunstbeilage in Roland, Archiv für Stamm- & Wappenkunde, 1906-1907, zeigt "la reine de France" und ist eine Arbeit von Gustav Adolf Closs (6.5.1864-3.9.1938). Die im Geschmack des 15. Jh. dargestellte Schildträgerin hält einen Rautenschild mit einem aus Frankreich und Bayern zusammengeschobenen Ehewappen. Vermutlich handelt es sich um Königin Isabeau (1371-1435), die Tochter des Herzogs Stephan von Bayern, welche Karl VI. von Frankreich geheiratet hatte.

Heute bemühen wir uns darum, heraldische Korrektheit an den Vorgaben der Blütezeit der Heraldik zu messen. Aus diesem Grund sind Rautenschilde eine unschöne Entwicklung, weil sie keinen Bezug mehr zu Form und Aussehen real geführter Schutzwaffen haben. Im spätgotischen Stil, der für den heutigen heraldischen Geschmack in Deutschland maßgeblich ist, finden sich keine Rautenschilde, und entsprechend sollte man heute das Auftreten solcher Formen als Produkt ihrer Zeit sehen. Der Rautenschild wurde zu keiner Zeit wirklich im Kampf oder im Turnier getragen. Heute, da man sich auf die klassischen Formen rückbesinnt, ist der Rautenschild in der Gestaltung ohne Bedeutung. In anderen Zeiten und Ländern, insbesondere Großbritannien, sah und sieht man das leider anders.

Liebesseile
Zum Rautenschild oder auch zu anderen Frauenwappendarstellungen treten anstelle des Oberwappens manchmal verschlungene silberne Schnüre, Liebesseile genannt. Auch dies hat mit klassischer Heraldik nichts zu tun, sondern ist eine Spielart der Papierheraldik. Dabei kann z. B. eine verheiratete Frau ein Liebesseil mit Schiebeknoten (Schiebeperlen) in der Schnur führen, wobei beide Wappen (Vater und Ehemann) in einem gespaltenen Schild oder auf eine andere Weise kombiniert werden, oder eine Witwe kann ein Liebesseil ohne Schiebeknoten in der Schnur führen, ein unverheiratete Tochter kann zum väterlichen Wappen eine Schleife, einen Blätter- oder Rosenkranz am Rautenschild führen.

Beispiel für Liebesschnüre mit Schiebeperlen am Ehe-Wappen für Anna von Clanner-Thun (heraldisches Exlibris aus dem Jahr 1904, entworfen von Richard Sturtzkopf (8.4.1873-19..). Maria Anna von Thun-Hohenstein, geboren in Choltice am 8.10.1859, hatte in Prag am 4.6.1888 Arthur Clanner von Engelshofen (geb. 8.10.1846 in Trutnov, gestorben am 8.5.1906 in Hostacov) geheiratet. Sie war die Tochter von Theodor Karel Jan Nepomuk Graf von Thun-Hohenstein und Gräfin Maria Karolina Kinská z Vchynic a Tetova (Kinsky von Wchinitz und Tettau). Sie verstarb am 10.6.1926.

Literatur, Links und Quellen:
Heinrich Hussmann: Über deutsche Wappenkunst: Aufzeichnungen aus meinen Vorlesungen, Guido Pressler Verlag, Wiesbaden 1972
Wappenfibel, Handbuch der Heraldik, hrsg. "Herold", Verein für Heraldik, Genealogie und verwandte Wissenschaften, Verlag Degener, Neustadt 1981
Walter Leonhard: Das große Buch der Wappenkunst, Bechtermünz Verlag 2000, Callwey Verlag 1978
Georg Scheibelreiter: Heraldik, Oldenbourg Verlag Wien/München 2006, ISBN 3-7029-0479-4 (Österreich) und 3-486-57751-4 (Deutschland)
La reine de France:
Roland, Archiv für Stamm- & Wappenkunde, hrsg. von Lorenz M. Rheude, 7. Jahrgang 1906-1907, Verlag Gebr. Vogt, Roda, 1907, Kunstbeilage und S. 153

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