Bernhard
Peter
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Photos schöner alter Wappen Nr. 207
Freie
Reichsstadt Rothenburg ob der Tauber (Franken)
Wappen in Rothenburg ob der Tauber - Rathaus
Über dem Haupteingang des Rothenburger Rathauses der große doppelköpfige Reichsadler, die Brust belegt mit dem Habsburger Wappen, in Rot ein silberner Balken, die Füße gestützt auf zwei weitere miteinander verschränkte Wappenschilde, eines davon mit dem Rothenburger Stadtwappen, in Silber eine schwebende rote Burg mit zwei Zinnentürmen. Dieses Wappenbild, das wohl aus dem 13. Jh. stammt und dessen ältestes überliefertes Siegelbild auf 1303 zu datieren ist, geht zurück auf die Küchenmeister von Nortenberg (Nordenberg), die Burgvögte und Schultheißen von Rothenburg waren. Das Wappenbild ging im Gebrauch auf die Stadt über, bis es zu ihrem eigenen Wappen wurde.
Neben diesem Stadtwappen ist noch ein zweites Wappen zu sehen, in Blau ein goldener, hersehender Löwenkopf (Löwenmaske, Leopardenkopf), der in die Spitze eines erniedrigten goldenen Sparrens beißt. Dieses Wappen ist uns heute als Wappen des Stifts Comburg bei Schwäbisch Hall geläufig. Zwischen der Comburg und Rothenburg gibt es eine enge Verbindung durch eine 1116 ausgestorbene, fränkische Grafenfamilie, durch die Grafen von Comburg-Rothenburg. Die Grafen von Comburg, die seit 1037 Herrschaftsrechte in Hall innehatten und die unter Graf Burkhard II. von Comburg-Rothenburg ihre eigene Burg Comburg erst zur Hälfte, dann um 1078 gänzlich in ein Kloster umwandelten, z. T. selbst dort eintraten, und denen u. a. das Dorf Gebsattel gehörte, errichteten um 1070 auf einer Bergnase über der Tauber die Burg Rothenburg. Bei ihrem Aussterben mit Graf Heinrich im Alter von fünfzig Jahren sollte eigentlich der ganze Besitz, auch Gebsattel und Rothenburg, dem Kloster Comburg zufallen, doch Kaiser Heinrich V. sah das ganz anders und verhinderte dies, und so ging der Besitz einschließlich Hall und Rothenburg an die Staufer über. Die Staufer übernahmen die Klostervogtei der Comburg, und dieses Recht ging später an das Hochstift Würzburg über (zu Zeiten der Grafen war das Kloster dem Hochstift Mainz unterstellt). Die Städte Hall und Rothenburg wurden zu Reichsstädten.
Den Grafen von Rothenburg-Comburg wird das Wappen mit der Löwenmaske und dem Sparren zugeordnet. Das muß aber cum grano salis gesehen werden: Nicht nur werden die Grafen von Comburg-Rothenburg erst in ihren letzten Generationen kurz vor ihrem Aussterben faßbar und belegbar, und eine tatsächliche Führung eines solchen Wappens ist nirgends belegt, sondern wir sprechen hier über das Jahr 1116, in dem das Geschlecht erlosch. Wir befinden uns hier in einer Zeit, wo die Entwicklung des Wappenwesens noch bevorstand, in der Tat aber im Verlauf des 12. Jh. eine rasante Entwicklung durchlief. Die älteste bekannte Wappenrolle Europas ist die Wappenrolle anläßlich der Aachener Krönung von Otto IV am 9.6.1198. Wir können also davon ausgehen, daß die Grafen von Comburg-Rothenburg tatsächlich vor der Schwelle zur Entwicklung des eigentlichen Wappenwesens lebten, und daß dieses Wappenbild mit der Löwenmaske und dem Sparren eine nachträgliche Zuschreibung ist. Deshalb ist es nicht das Wappen von den, sondern für die Grafen von Comburg-Rothenburg. In einer Haller Chronik um 1600 (nach Georg Widman und Johann Herolt, StadtA SHA 4/4 Bl. 9V) ist das Wappen als Vollwappen abgebildet, und dort ist als Helmzier zu blau-goldenen Decken ein rotbewehrter auffliegender Vogel zu sehen, desgleichen ist das Stiftswappen als Vollwappen an der Comburg zu sehen (siehe Kapitel zur Comburg).
Die Schlußsteine der dem Marktplatz zugewandten Arkadenbögen tragen jeder ein Wappen. Rothenburg war eine Reichsstadt und nur dem Kaiser verpflichtet. Entsprechend werden nur die Wappen anderer Landesherren abgebildet, insofern der Kaiser von ihnen abhängt - nämlich die der Kurfürsten. Da die Anbringung im Jahre 1681 erfolgte, haben wir 8 Kurwürden, denn seit der Reichsgründung gab es folgende zwei Änderungen: 1.) 1623 wurde die pfälzische Kurwürde (Erztruchsessenamt) an die Herzöge von Bayern übertragen, 2.) 1648 bekamen die Pfalzgrafen das neu geschaffene Amt des Erzschatzmeisters (8. Kurwürde). Und das mit den 8 Kurwürden galt bis 1692, denn damals wurden die Herzöge von Braunschweig-Lüneburg zu Kurfürsten von Hannover (9. Kurwürde) und bekamen das Amt des Erzbannerträgers. Beginnen wir ganz links an der einzelnen Arkade, dort ist das Stadtwappen angebracht (ohne Detail-Abb.), dann wechseln wir auf die lange Seite mit den 9 Arkaden, und dort sehen wir von links nach rechts die Jahreszahl, Köln (ohne Detail-Abb.), Trier (ohne Detail-Abb.), Mainz, Böhmen in der Mittelachse, Bayern, Sachsen, Brandenburg und zuletzt ganz rechts die Pfalz. Nur zwei dieser Wappen sind mit Symbolen für die Kurwürde ausgestattet, nämlich Bayern und Sachsen.
Herzogtum Bayern: Geviert aus den Wittelsbacher Rauten (in ganz eigenartiger radialer Anordnung) und dem Pfälzer Löwen, in der Mitte das Erztruchsessenamt, denn damals war der Herzog von Bayern Erztruchsess (Archidapifer). | Kurfürstentum Mainz - in Rot ein silbernes sechsspeichiges Rad. Der Erzbischof von Mainz war Erzkanzler für Deutschland (Archicancellarius per Germaniam). | Königreich Böhmen - in Rot ein silberner Löwe, golden gekrönt, bewehrt und gezungt. Der König von Böhmen war Erzmundschenk (Archipincerna). |
Markgraf von Brandenburg - in Silber ein roter Adler. Der Markgraf von Brandenburg war Erzkämmerer (Archicamerarius). | Pfalzgraf bei Rhein - in Schwarz ein goldener Löwe, eigentlich noch rot gekrönt, gezungt und bewehrt. Der Pfalzgraf war damals Erzschatzmeister. | Kursachsen - gespalten, rechts schwarz-silber geteilt, belegt mit zwei gekreuzten roten Schwertern, links von Schwarz und Gold neun(!)mal geteilt, darüber ein grüner schrägrechter Rautenkranz. Der Herzog von Sachsen war Erzmarschall (Archimareschallus). |
Renaissance-Fassade des Rothenburger Rathauses (1572-1578 errichtet unter der Leitung des Rothenburger Bildhauers und Steinmetzen Leonhard Weidmann) mit Treppenturm und Erker, vorgesetzter Arkadengang im Barockstil (1681). Im Hintergrund der Turm des gotischen Baues. Die drei verschiedenen Baustile verbinden sich hier harmonisch zu einer wundervollen Einheit.
Liebenswertes kleines Detail am Rathauserker: Selbstportrait des Baumeisters Leonhard Weidmann.
Literatur:
Siebmachers Wappenbuch
Aschaffenburger Wappenbuch
Eugen Schöler, Historische Familienwappen in Franken, Verlag
Degener 3. Aufl. 1999
Willi Sauer, Wolfgang Kootz, Rothenburg ob der Tauber,
Stadtführer, Edm. von König-Verlag Heidelberg 1981
Wappen Stift Comburg: Alfred F. Wolfert, Aschaffenburger
Wappenbuch, Veröffentlichung des Geschichts- und Kunstvereins
Aschaffenburg e. V., Aschaffenburg 1983, Tafel 97 Seite 246, dort
mit silberner Löwenmaske und goldenem Sparren abgebildet
Grafen von Rothenburg-Comburg: http://www.schwaebischhall.de/buergerstadt/geschichte/chronik.html
Stadtgeschichte Rothenburg: http://www.rothenburg.de/d/ISY/index.php?get=1614
Grafen von Rothenburg-Comburg: http://www.pro-region.de/web/de/home/ueberdieregion/sehenswuerdigkeiten/adelsgeschlechter/freie_reichsstadt_rothenburg.html
Gerhard Lubich, die Grafen von Comburg-Rothenburg, die Stadt
Schwäbisch Hall u8nd der Jakobskult, in: Die oberdeutschen
Reichsstädte und ihre Heiligenkulte: Traditionen und
Ausprägungen zwischen Stadt, Ritterorden und Reich, online http://books.google.de/books?id=A-psZgnGp4AC S. 119 ff.
Die Grafen von Comburg und die Comburg: http://www.erwinschumacher.de/comburg.htm
Wappen Comburg: http://www.schwaebischhall.de/fileadmin/user_upload/images/Informationsstadt/Stadtarchiv/Familienwappen/Comburg_04-0004_Bl_009_VS.jpg - http://www.schwaebischhall.de/buergerstadt/geschichte/stadtarchiv/familienwappen/wappen-a-c.html
Stadtwappen von Rothenburg: http://www.datenmatrix.de/projekte/hdbg/gemeinden/bayerns-gemeinden_detail.php?gkz=9571193
Ein herzliches Dankeschön an Herrn Martin Kögel und an Herrn
Michael Hauber für wertvolle Hinweise
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