Bernhard
Peter
Galerie:
Photos schöner alter Wappen Nr. 1185
Hungen
(Landkreis Gießen)
Schloß
Hungen
Schloß Hungen präsentiert
sich heute als malerische Anlage in einem schönen Park mit altem
Baumbestand am Rande des Hungener Ortszentrums. Durch eine
Vorburg betritt man das Schoßareal. Das Kernschloß besteht aus
einem Mittelteil mit Durchgang in den Innenhof zwischen zwei nach
hinten vorstoßenden Gebäudeflügeln sowie seitlichen Anbauten
uneinheitlicher Architektur. 1383 wird Hungen erstmalig erwähnt
als Burg der Falkensteiner. 1418 starb der letzte Falkensteiner,
und Hungen kam zu Solms. Der weitere Ausbau der Burg fand unter
den Grafen von Solms-Braunfels statt. Graf Bernhard von
Solms-Braunfels baute 1455 unter Nutzung älterer Bauteile die
neue Burg, die 1487-1492 unter Graf Bernhard III. von Solms
weiter ausgebaut wurde. 1572 erfolgte der Abbruch mehrerer
Bauteile unter Graf Philipp und Ersetzung durch Neubauten.
1600-1693 wurde sie zum Residenzschloß der Linie Solms-Hungen
ausgebaut. Um 1600 wurde der Torbau der Vorburg errichtet, ferner
der "Neue Saalbau". Ein ebenfalls in diese Bauphase
datierender nördlicher Eckturm existiert nicht mehr.
"Frauenzimmerbau" und "Alter Bau" wurden
1600-1616 umgebaut. Vor Schloß und Stadtmauer entstanden im Zuge
des Umbaues neue Wallanlagen nach modernen
verteidigungstechnischen Gesichtspunkten, von denen sich aber
nicht mehr viel erhalten hat, insbesondere weil die hinter dem
Schloß verlaufende Eisenbahntrasse viel zerstört hat. 1629 kam
das Hofgut hinzu.
Der letzte größere Umbau und
die Barockisierung der Renaissance-Anlage fand im Jahr 1700 statt
(Bauinschrift am Mittelbau), dabei kamen weitere Anbauten hinzu.
Der besondere Reiz der Anlage ergibt sich durch das Konglomerat
verschiedenster Bauteile und Baustile, durch das Nebeneinander
von Stein und Fachwerk und durch die lebhafte Dachlandschaft.
Später wurde das Anwesen als Witwensitz des Fürstenhauses
Solms-Braunfels genutzt. Bis 1970 folgte ein Niedergang, in dem
heruntergekommenen Gemäuer waren erst ein Altenheim, dann ein
Wohnheim für türkische Gastarbeiter untergebracht. Das Schloß
war so sehr in desolatem Zustand, daß die Stadt es selbst als
Geschenk aus Kostengründen ablehnte. Seit 1974 wurde das Schloß
in Privatinitiative von einer Eigentümergemeinschaft vorbildlich
restauriert und ist heute eine private Wohnanlage.
Die beiden hier besprochenen
Wappen befinden sich an den beiden zum Park hin vorspringenden
einachsigen Standerkern, nach innen dem Torweg zugewandt, in
Höhe der Fensterbrüstung des zweiten Obergeschosses. Über dem
Tor selbst sind die beiden unten abgebildeten Inschriften
angebracht.
Das
Wappen des Ehemannes:
Das Wappen Solms-Braunfels
hat einen Herzschild auf einem zweimal gespaltenen und zweimal
geteilten Hauptschild. Im einzelnen enthält das Wappen folgende
Komponenten:
- Herzschild: In Gold ein blauer (nicht
schwarz wie hier) Löwe, rotgezungt (Stammwappen Solms).
Das ursprüngliche Schildbild zeigt den Löwen in von
Schindeln begleitetem Feld. Später gingen die Schindeln
verloren, vor allem, als das Wappen vermehrt wurde.
- Hauptschild:
- Feld 1: In Silber drei (2:1)
rote Seeblätter, es handelt sich um das Wappen
der Grafen von Tecklenburg. Die
eigentlichen Grafen von Tecklenburg waren schon
1262 ausgestorben. Danach kam die Grafschaft an
die Grafen von Bentheim, 1329 an die Grafen von
Tecklenburg-Schwerin. Graf Philipp zu
Solms-Braunfels hatte diese Grafschaft im Jahre
1554 durch Heirat mit der Erbtochter des letzten
Grafen von Tecklenburg bekommen. Aber erst nach
langwierigem Prozeß und komplizierten
Verwicklungen kam das Haus Solms tatsächlich an
seinen Besitz, 1699 übernahm Graf Wilhelm Moritz
von Solms-Braunfels die Grafschaft, die das Haus
Solms 1706 an Preußen abtrat, gegen die
Interessen der Familie, was seitens Preußen
durch die Ernennung zum Geheimen Rat und Aufnahme
in den Schwarzen Adler-Orden honoriert wurde.
- Feld 2: In Blau ein goldener
aufrechter Stockanker (Herrschaft Lingen).
Die Grafschaft Lingen wurde 1493 von der
Grafschaft Tecklenburg abgespalten. Graf Nikolaus
IV. von Tecklenburg-Schwerin (1498-1541), Graf
von Lingen, blieb unverheiratet. Als er starb,
war Graf Konrad von Tecklenburg-Schwerin
(1541-1547), sein Neffe und Graf von Tecklenburg,
der nächste Verwandte und übernahm die
Grafschaft Lingen mit. Damit waren die Gebiete
der Grafschaften Tecklenburg und Lingen wieder
vereint.
- Feld 3: In Silber ein
schwarzer Löwe, mit drei goldenen Ringen um den
Leib oder auch auf dem Leib (Herrschaft
Rheda, gehörte zur Grafschaft
Tecklenburg). Die Ringe fehlen hier. Rheda kam
wie Lingen als Anspruch mit Tecklenburg an das
Haus Solms. Besessen haben sie beide de facto
nie, das ist wie Lingen ein reines
Anspruchswappen.
- Feld 4: gespalten, Feld 4 wird
insgesamt Greifenstein
zugeordnet
- vorne: In Gold vier
diagonal aus den Ecken wachsende grüne
(hier abweichend blaue) Eichenblätter
(Wappen der Dynasten von Greifenstein.
Graf Heinrich von Solms-Braunfels griff
um 1280 die Dynasten von Greifenstein und
Lichtenstein in ihren Burgen an und
brachte deren Besitzungen an sich)
- hinten: In Silber drei
blaue Pfähle, hier farblich ganz
abweichend (angeblich Wappen der Dynasten
von Lichtenstein, welche
aber mit den Dynasten von Greifenstein
eines Stammes sind und auch die
Eichenblätter führen, es könnte auch
das Wappen von Lich
sein, hier herrscht in der Lit. keine
Klarheit)
- Feld 6: rot-golden geteilt
(Herrschaft Falkenstein-Münzenberg,
eigentlich altes Wappen der Dynasten von
Falkenstein, die die Herrschaft von Münzenberg
(Minzenberg) besaßen und deren Erbtochter sie an
Graf Otto und die Familie Solms brachte). Das
Wappen wird auch als rotes Schildhaupt
dargestellt. 1418 stirbt der letzte Graf von
Falkenstein, aus dessen Erbschaft Solms-Braunfels
Münzenberg, Lich, Wölfersheim, Södel, Hungen,
Laubach und Butzbach erhält.
- Feld 7: In Silber ein roter
Balken. Edle Herren und Grafen von
Criechingen (Stammwappen. Erloschen
1697). Die letzten drei Felder sind
linksrheinische Besitzungen der ehemaligen Grafen
von Criechingen-Pittingen, die später im Frieden
von Lunéville an Frankreich abgetreten wurden,
als Anspruchswappen aber noch geführt wurden)
- Feld 8: In Rot ein goldenes
Ankerkreuz (von Pittingen,
ausgestorben 1. Hälfte 15. Jh., kam durch Heirat
zu den Herren von Criechingen.
- Feld 9: In Silber ein roter
Löwe (gewöhnlich aber abgewandt, hier
abweichend, Herrschaft Erchingen)
Die einst sechs Helme sind
alle bis zur Unkenntlichkeit zerstört. Wir würden Münzenberg,
Lingen, Solms, Tecklenburg, Beaucourt, Pittingen erwarten.
Kurzgefaßter
Überblick über das Haus Solms
Das erste nachgewiesene
Mitglied derer von Solms ist der 1129-1141 urkundlich erwähnte
Herr Marquard von Solms. Das Geschlecht der Grafen von Solms
teilte sich um ca. 1250 in die Linien Braunfels, Burgsolms und
Königsberg auf. Die beiden letzteren starben 1363 und 1415 aus,
übrig blieb nur die Linie Solms-Braunfels, welche sich ca. 1420
wieder in Solms-Braunfels und Solms-Lich aufspaltete.
Solms-Braunfels teilte sich 1602 wieder in drei Zweige
(Braunfels, Hungen, Greifenstein), wovon nur noch der Zweig
Greifenstein besteht, der 1693 anläßlich der Verlegung der
Residenz von Schloß Greifenstein nach Schloß Braunfels den
Namen Braunfels wieder annahm. Dieser Zweig wurde 1742 in den
Reichsfürstenstand erhoben, verlor aber 1806 seine
Reichsunmittelbarkeit (Mediatisierung).
Solms-Lich teilte sich 1548 in Lich und
Laubach, Lich wiederum in Lich, Hohensolms und Butzbach. Davon
überlebte nur der Zweig Butzbach, der sich ab 1600
Hohensolms-Butzbach und ab 1718 Hohensolms-Lich nennt.
Alt-Laubach teilte sich auf sehr komplexe Weise in viele Linien,
Unter- und Nebenlinien auf, die Namen der einzelnen Linien sind
Neu-Laubach, Baruth, Sonnenwalde, Sköna, Rhaesa, Alt-Pouch,
Assenheim, Utphe, Wildenfels, Sachsenfeld, Klitschdorf und
Rödelheim.
Genealogie
des Ehemannes:
- Bernhard III. Graf v. Solms-Braunfels
(1468 - 3.3.1547), vermählt mit Margarete v. Henneberg
(- 1510)
- Philipp Graf v.
Solms-Braunfels (23.2.1494 - 11.2.1581),
vermählt mit Anna v. Tecklenburg
- Conrad Graf v.
Solms-Braunfels (1540 - 1592), vermählt
mit Elisabeth v. Nassau-Dillenburg
(25.9.1542 - 18.11.1602)
- Wilhelm I.
Graf v.
Solms-Braunfels-Greifenstein
(18.4.1570 - 3.2.1635), vermählt
mit Amalie v. Nassau-Dillenburg
(27.8.1582 - 31.10.1635)
- Wilhelm
II. Graf v.
Solms-Braunfels-Greifenstein
(9.8.1609 - 19.7.1676),
vermählt mit Johannette
Sibylla zu
Solms-Hohensolms
(15.1.1623 - 7.8.1651)
- Wilhelm
Moritz Graf v.
Solms-Braunfels
(4.4.1651 - 9.2.1724),
1678 zu 1/2 Hungen, erbt
1684 von seiner Tante
Anna Maria deren Anteil
an der Grafschaft
Criechingen, erbt 1693
Braunfels, 1/2 Hungen und
Gambach, erbt 1699
Tecklenburg, verkauft 1706
Tecklenburg an Preussen,
preußsischer Geheimrat,
vermählt mit Magdalena
Sophia Landgräfin v.
Hessen-Homburg (24.4.1660
- 22.3.1720)
Das
Wappen der Ehefrau:
Der Schild ist ein
zusammengeschobenes Ehewappen, in der rechten Hälfte das
hessische Wappen, in der linken Hälfte das Solmser Wappen:
Gespalten:
- Vorne: Gespalten und zweimal geteilt
- Feld 1: Fürsten
von Hersfeld, Abtei Hersfeld: In Silber
ein rotes Patriarchenkreuz.
- Feld 2:
Grafen von Ziegenhain: Schwarz-golden
geteilt, oben ein silberner (hier abweichend
golden) sechsstrahliger Stern.
- Feld 3: Landgraf
von Hessen (Stammwappen), in Blau ein
silbern-rot mehrfach geteilter aufrechter Löwe,
golden gekrönt und golden bewehrt.
- Feld 4: Grafen
von Diez (Dietz): In Rot zwei goldene,
blau bewehrte schreitende Löwen (gelegentlich
hersehend dargestellt, also Leoparden)
übereinander.
- Feld 5: Grafen
von Nidda: Schwarz-golden geteilt, oben
zwei achtstrahlige, silberne (hier abweichend
goldene) Sterne.
- Feld 6: Grafen von
Schaumburg: In Rot ein silbernes
genageltes Nesselblatt, belegt mit einem
silbern-rot geteilten Schildchen.
- Hinten: Solmser Wappen wie oben
beschrieben, aber unter Verlust des Herzschildes.
Im
hessischen Wappen fehlt das Feld für die Grafen von Katzenelnbogen:
In Gold ein roter Löwe, blau bewehrt und blau bekrönt. Das
ansonsten im Herzschild geführte landgräfliche Stammwappen
rutscht auf einen dadurch freien Platz im Hauptschild. Weiterhin
fehlt das Feld Isenburg, das normalerweise unten
in einem geteilten Feld 5 geführt wird, denn die Ehefrau stammt
im Prinzip aus der Darmstädter, nicht aus der Kasseler
Hauptlinie, und dieses Feld ist ein Unterscheidungsmerkmal beider
Hauptlinien. Tatsächlich ist dieses Feld nur
"verrutscht", denn die beiden schwarzen Balken sind in
Feld 7 der linken Spalthälfte gewandert, wo sie eigentlich
nichts im Feld Criechingen zu suchen haben. Aber, da war wohl
Platz, und ein silberner Hintergrund war gegeben - nur korrekt
ist das nicht, zwei Felder ganz unterschiedlicher Bedeutung so zu
vermischen.
Genealogie
der Ehefrau:
- Philipp I. Landgraf v. Hessen
(13.11.1504 - 31.3.1567), vermählt mit Christina v.
Sachsen (25.12.1505 - 15.4.1549)
- Georg I. Landgraf v.
Hessen-Darmstadt (10.9.1547 - 1596), vermählt
mit Magdalena Gräfin zur Lippe (24.2.1552 -
1587)
- Friedrich I. Landgraf
v. Hessen-Homburg (5.3.1585 - 9.5.1638),
vermählt mit Margareta Elisabeth zu
Leiningen-Westerburg (- 13.8.1667)
- Wilhelm
Christoph Landgraf v.
Hessen-Homburg (13.11.1625 -
27.8.1681), vermählt mit Sophie
Eleonore Landgräfin v.
Hessen-Darmstadt (7.1.1634 -
7.10.1663)
- Magdalena
Sophia Landgräfin v.
Hessen-Homburg
(24.4.1660 - 22.3.1720),
vermählt mit Wilhelm
Moritz Graf v.
Solms-Braunfels (4.4.1651
- 9.2.1724)
Inschriften des
Bauherren-Ehepaares mit allen Titeln.
Das
Wappen an der Vorburg:
Das Wappen der Grafen zu
Solms, ca. 100 Jahre älter als das zuvor beschriebene Wappen am
Mittelbau, heraldisch rechts ist geviert:
- Feld 1 und 4: In Gold ein blauer Löwe
(Stammwappen Solms). Beide Löwen sind hier aus
Courtoisie dem Wappen der Ehefrau zugewandt.
- Feld 2 und 3: eine rot-goldene Teilung
(Falkenstein-Münzenberg)
Das Wappen trägt zwei
reichlich vom Zahn der Zeit angenagte Helme:
- Helm 1: Kleinod Solms: Zwischen einem
goldenen Flug sitzend ein blauer Löwe. Helmdecken
blau-golden.
- Helm 2: Falkenstein-Münzenberg: ein
roter flacher Turnierhut mit Hermelinaufschlag, oben mit
einer goldenen Kugel und einem Pfauenstoß besteckt, im
Stulp zwei rot-golden geteilte Fähnchen an goldenem
Schaft steckend. Helmdecken rot-golden.
Das Wappen der Ehefrau in Schild und
Helmzier den Gleichener Löwen.
Abb.: Vorburg mit
Tordurchgang von innen gesehen
Genealogie zum Wappen:
- Conrad Graf v. Solms-Braunfels (1540 -
1592), vermählt mit Elisabeth v. Nassau-Dillenburg
(25.9.1542 - 18.11.1602)
- Otto Graf v.
Solms-Braunfels-Hungen (3.1.1572 -
23.7.1610), 1597 kurpfälzischer Oberst, 1599
Rat, 1602 zu Hungen, Begründer der Linie zu
Hungen, 1603 Obermarschall, vermählt am
12.2.1604 mit Ursula v. Gleichen-Rembda
(- 21.9.1625), kinderlos.
- Reinhard Graf v.
Solms-Braunfels (27.3.1572 - 16.5.1636/1630),
vermählt mit Elisabeth Gräfin v. Salm-Dhaun
(13.3.1593 - 13.1.1656)
- Moritz Graf v.
Solms-Braunfels (21.11.1622 -
30.11.1678), mit ihm erlischt die
bernharsche Linie zu Hungen, Hungen
fällt an die Hauptlinie zu Greifenstein,
vermählt mit Florentina v. Brederode
(13.2.1624 - 1698)
- Reinhard
Wolfhart v. Solms-Braunfels
(11.9.1655 - 9.5.1675), stirbt
unvermählt und kinderlos an den
Blattern
Literatur
und Quellen:
Siebmachers Wappenbücher,
insbesondere die Bände Grafen und Hoher Adel (Fürsten)
Genealogien: Prof. Herbert Stoyan, Adel-digital, WW-Person auf
CD, 10. Auflage 2007, Degener Verlag ISBN 978-3-7686-2515-9
Schloß Hungen: http://www.freundeskreis-schloss-hungen.de/ - Geschichte: http://www.freundeskreis-schloss-hungen.de/geschichte.html
Klaus Dieter Wildhack: Schloß Hungen. Vom Feudalsitz zur
Wohnanlage. Hungen 1999.
Die Entwicklung des Hessischen Wappens
Wappen der Grafen und Fürsten von Solms
Das Feld für
Münzenberg und seine Verbreitung in deutschen Adelswappen
Ortsregister - Namensregister
Zurück zur Übersicht Heraldik
Home
©
Copyright / Urheberrecht Text, Graphik und Photos: Bernhard Peter
2009
Impressum