Bernhard
Peter, Gernot Ramsauer und Alex Hoffmann
Galerie:
Photos schöner alter Wappen Nr. 1392
Nürnberg (Mittelfranken)
St.
Sebald in Nürnberg, Glasfenster (6)
Haller-Fenster im Chor
Das hier besprochene Haller-Fenster ist ein Fenster des Chores von St. Sebald, daneben gibt es noch ein Haller-Fenster im Langhaus, was Thema des nächsten Abschnittes sein wird. Das hier zu diskutierende Haller-Fenster befindet sich auf der Südseite und füllt das erste von der West-Ost-Richtung abknickende Wandelement des insgesamt aus sieben Segmenten bestehenden Abschlusses. Es liegt zwischen Pfinzing-Fenster und Schürstab-Fenster. Nur in der untersten Reihe befinden sich vier identische Vollwappen-Darstellungen, die drei darüber liegenden Reihen haben Standfiguren und figürliche Szenen aus der Hagiographie. Manche Szenen gehen auch über mehrere Fensterfelder hinweg, so der drachentötende Hl. Georg oder der Kindermord zu Bethlehem. Weitere Heilige sind Leonhard, Vinzenz, Ursula, Elisabeth, Sebastian mit den Pfeilen, Anna Selbdritt und Katharina. Zeitlich und stilistisch ist dieses Fenster in das 14. Jh. einzuordnen, also aus der Zeit der ersten Chorverglasung; die Wiedergabe ist schlicht und konturbetont.
Das Vorhandensein vier gleicher Wappen läßt darauf schließen, daß hier vier Personen der gleichen Familie gemeinsam die Stiftung vornahmen. Leider besitzt keines der Wappen ein Beiwappen, womit man anhand der Kombination eine Chance der näheren Identifizierung hätte. Möglicherweise handelt es sich um die Brüder Peter I. (gest. 1369), Konrad I. (gest. 1388), Bertold III. (gest. 1391) und Ulrich III. (gest. 1422). Alle vier waren Söhne von Ulrich II. Haller (gest. 1357). Als die Fensterrechte 1379 vergeben wurden, war Konrad I. Haller amtierender jüngerer Bürgermeister; und auch Ulrich III. war im Rat vertreten, sogar als erster von den Brüdern. Vielleicht war auch Bertold I. Haller zu Gräfenberg (gest. 1379) noch unter den Stiftern, denn erstens liegt er in St. Sebald begraben und zweitens sind im Fenster Elisabeth, Georg, Ursula und Anna zu sehen, die Namenspatrone seiner Frau Elisabeth von Wolffsburg, seines Sohnes Georg und zweier seiner Töchter. Wer nun genau der Stifter war, ist nicht festzustellen, aber die Genannten kommen in die engere Wahl.
Alle vier Scheiben zeigen gleichermaßen das Stammwappen der Haller (Haller von Hallerstein). Sie sind ein nürnbergisches Patriziergeschlecht, gehörten zu den alten ratsfähigen Geschlechtern nach dem Tanzstatut und waren von 1314 bis 1806 ununterbrochen Mitglieder des Inneren Rates. Sie wurden ein landsässiges Rittergeschlecht, das 1433 einen Wappenbrief erhielt und 1528 eine Adelserhebung und eine Wappenbesserung und schließlich 1790 den Freiherrenstand erlangte. Eigentlich stammt die Familie jedoch aus Tirol. 1293 werden sie bereits urkundlich erwähnt. Das Stammwappen zeigt in Rot einen schwarz gefüllten, schrägen, linken, silbernen Sturzsparren. Das ist eine in der Heraldik selten vorkommende Stellung eines Sparrens, die sehr dynamisch und wirkungsvoll ist. Auf dem Helm mit rot-silbernen Decken (hier ist in der sehr einfachen Deckenausführung nur die rote Außenseite zu sehen) ein wachsender, gänzlich roter Frauenrumpf. Im Wappenbrief vom 31.5.1433 (Kaiser Sigismund hat am Tag seiner Kaiserkrönung Erhard und Paul Haller auf der Tiberbrücke in Rom zu Rittern geschlagen) kam später eine goldene Helmkrone hinzu, die hier vorliegenden Darstellungen sind zeitlich früher.
Die wachsende rote Jungfrau der Helmzier hat im Laufe der Zeit eine Veränderung erfahren. Hier ist sie einfach rot, in den unteren beiden Bildern erkennt man die Strukturlinien eines Gewandes mit Falten. Die Haare sind silbern und zu einem nach hinten abhängenden Zopf geformt, zwei weitere Elemente kommen seitlich aus dem Haar, abflatternde Zipfel eines Haarbandes. Alternativ wird sie auch als vollständig nackt beschrieben, so auch in der farbigen Abbildung in der Urkunde von 1433. Danach wird sie im 15. und 16. Jh. wieder bekleidet dargestellt. Im 17. Jh. bekamen Gesicht und Kleid verschiedene Farben, so konnte jeder die Kleidung deutlich abgesetzt wahrnehmen, die immer noch rot war, aber durch die nachträgliche Schwärzung des Gesichts war eine Mohrin geboren, und die typische Kopfbinde war auch schon passend angelegt. Bereits im Alten Siebmacher von 1605 ist das Gesicht der Mohrin deutlich schwarz.
Szenen aus der dritten Reihe des Haller-Fensters: Heiligenfiguren, ganz links Vinzenz von Valencia mit den Haken, als zweites von links Leonhard von Limoges mit Buch und Kette (Befreiung von Gefangenen) sowie mit Tonsur (wird oft als Benediktinermönch dargestellt, obwohl das nicht zutrifft), als drittes von links der an den Pfahl gebundene Sebastian mit den Pfeilen, rechts ein weiterer, nicht identifizierter Heiliger (Märtyrer) mit Palmwedel und Reichsapfel.
Szenen aus der zweiten Reihe des Haller-Fensters: Links der Hl. Georg als geharnischter Reiter mit dem vom tödlichen Stoß getroffenen Drachen im zweiten Feld, im dritten Feld die noch um Hilfe flehende und schließlich gerettete Königstochter aus der Georgslegende, die in der vom Drachen tyrannisierten Stadt Silena in Lybien per Auslosung zum täglichen Opfer bestimmt war, ganz rechts der Königspalast mit gekrönten Personen in beiden Etagen, die die dramatische Szene beobachten. Alle vier Scheiben bilden eine einzige Szene.
Literatur,
Links und Quellen:
Veröffentlichung der
Innenaufnahmen aus St. Sebald mit freundlicher Erlaubnis von
Herrn Pfarrer Dr. Axel Töllner und Herrn Pfarrer Gerhard Schorr
vom 12.7.2010, wofür ihnen an dieser Stelle ganz herzlich
gedankt sei.
Siebmachers Wappenbücher, insbesondere der Band Bayern und
Siebenbürgen
Eugen Schöler, Historische Familienwappen in Franken, Verlag
Degener / Bauer Raspe, Neustadt an der Aisch, 3. Aufl. 1999,
Nachdruck 2002, ISBN 3-87947-112-6
Peter Fleischmann, Rat und Patriziat in Nürnberg. Nürnberger
Forschungen, Einzelarbeiten zur Nürnberger Geschichte,
herausgegeben vom Verein für Geschichte der Stadt Nürnberg.
Bände 31/1, 31/2, 21/3 (Stammbäume) und 31/4. VDS
Verlagsdruckerei Schmidt, Neustadt an der Aisch. ISBN
978-3-87191-333-4.
Hartmut Scholz, St. Sebald in
Nürnberg, Meisterwerke der Glasmalerei, Band 3, Verlag Schnell
Steiner GmbH Regensburg 2007, ISBN 978-3-7954-1846-5
Nürnberger Patriziat im Historischen
Lexikon Bayerns: http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/artikel/artikel_45240
St. Sebald: http://www.sebalduskirche.de/
3D-Panorama St. Sebald: http://www.sebalduskirche.de/fileadmin/Bildmaterial/Atuelles/Sebalduskirche_02c.mov
Baugeschichte St. Sebald: http://www.sebalduskirche.de/index.php?id=17 - http://www.sebalduskirche.de/index.php?id=68 - http://www.sebalduskirche.de/index.php?id=69 - http://www.sebalduskirche.de/index.php?id=70 - http://www.sebalduskirche.de/index.php?id=71 - http://www.sebalduskirche.de/index.php?id=72 etc.
Virtueller Rundgang St. Sebald: http://www.sebalduskirche.de/index.php?id=16
Eugen Schöler, Fränkische
Wappen erzählen Geschichte und Geschichten. Verlag Degener 1992,
ISBN 3-7686-7012-0.
Die Haller: Otto Hupp, Münchener
Kalender 1928. Verlagsanstalt München/Regensburg 1928.
Hartmut Scholz: Corpus Vitrearum Medii Aevi Deutschland Bd. X, 2,
die mittelalterlichen Glasmalereien in Nürnberg, St. Sebalder
Stadtseite, Deutscher Verlag für Kunstwissenschaft, Berlin 2013,
712 S., ISBN 978-3-87157-236-4, S. 114 ff, http://www.corpusvitrearum.de/projekt/publikationen/cvma-x-2.html, pdf: http://www.corpusvitrearum.de/fileadmin/user_upload/PDF/CVMA_X_2_Nuerrnberg_Sebalder_Stadtseite.pdf
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