Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 1533
Weingarten (Landkreis Karlsruhe)

ehem. Deutschordenshaus

Der historische Ortskern von Weingarten, erst ein Hof des Klosters Weißenburg, dann bis 1803 ein kurpfälzischer, schließlich ein badischer Ort, ist auf einige wenige Häuser an der vielbefahrenen Durchgangsstraße beschränkt, und man muß schon ein Weilchen suchen, bis man auf heraldisch interessante Spuren stößt. Hinter der Kirche versteckt am Pfarramt der evangelischen Kirchengemeinde findet man dann Spuren des Deutschen Ordens, ein Hochmeisterwappen aus der Bauzeit des Deutschordenshauses (1748 neu erbaut) und zwei ältere, ganz hoch oben eingemauerte ältere Deutschmeisterwappen aus dem 15. Jh. Seit 1809 wird das Haus als Pfarrhaus genutzt, der Orden war in der Säkularisierung aufgelöst worden.

Das Wappen an der der Straßenkreuzung zugewandten Gebäudeecke ist das des Deutsch- und Hochmeisters Clemens August Herzog von Bayern (geb. 16.8.1700 in Brüssel, reg. 17.7.1732-6.2.1761 als Hochmeister in Mergentheim, gest. 6.2.1761 in Koblenz-Ehrenbreitstein).

Hinter der ovalen Schildkartusche schräggekreuzt Schwert und Krummstab für die weltliche und geistliche Macht als Fürstbischof, über dem Schild ein Fürstenhut, aus dem ein Wappenmantel fällt.

Noch weiter oben befinden sich an der gleichen Gebäudeecke zwei wesentlich ältere Wappenschilde, die mit einem aus dem Stein gehauenen Seil verbunden über einen kleinen "Haken" gehängt sind und sich einander zuneigen. Heraldisch rechts ist es der komplett gewendete Schild von Ulrich von Lentersheim (ca. um 1400 - 22.4.1481), der 1455-1479 Deutschmeister war, geviert, Feld 1 und 4: in Silber ein durchgehendes schwarzes Kreuz (Deutscher Orden), Feld 2 und 3: schräggeteilt, oben silbern-rot geschacht, unten schwarz (von Lentersheim).

Ulrich von Lentersheim war der Sohn von Craft von Lentersheim und Anna von Gundelsheim. Er wurde wahrscheinlich auf dem Familiensitz Berolzheim im Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen, Mittelfranken, geboren. Er erscheint 1414, als er zusammen mit seinen Brüdern bzw. Halbbrüdern Sigmund, Heinrich und Kraft den Hof Großholz auf dem Heidenheimer Berg käuflich erwarben, ein Hohenloher Lehen. 1420 begegnet er uns schon als Deutschordensritter, der sich in Preußen durch Tapferkeit und Klugheit ausgezeichnet hat. 1435 tritt er urkundlich als Überreiter (Überwacher der Landgüter) im Deutschordensbesitz Ellingen in Erscheinung. Ulrich war 1436-1444 Komtur in Donauwörth, 1444-1448 Komtur in Nürnberg und ab 1448 Landkomtur der größten Deutschorden-Ballei Franken mit Sitz in Ellingen. In der Kommende Blumenthal wurde er 1453 als Nachfolger des Deutschmeisters Jobst von Venningen gewählt. Sein Amtssitz wurde Burg Horneck. Doch erst 1455 konnte er sein Amt antreten, das er 27 Jahre lang ausübte. In seine Amtszeit fiel der Krieg zwischen dem Orden und dem Preußischem Bund. Ulrich von Lentersheim war als Diplomat für den Deutschen Orden in Böhmen, bei Kaiser sowie Fürsten und an Reichstagen im Einsatz. In Franken mußte er Angriffe des Grafen von Wertheim auf die Ordensstadt Prozelten und die Henneburg abwehren, erfolgreich. Am 29.3.1479 resignierte er aus gesundheitlichen Gründen und zog sich nach Weißenburg im Elsaß zurück, wo er auch verstarb.

Gegenüber ist der Schild von seinem Nachfolger Reinhard von Neipperg, er war 1479-1489 Deutschmeister und führte sein Amtswappen ebenfalls geviert, Feld 1 und 4: in Silber ein durchgehendes schwarzes Kreuz (Deutscher Orden), Feld 2 und 3: in Rot drei (2:1) silberne Ringe (v. Neipperg). Die Schrift ist nur teilweise erhalten und nicht ganz korrekt angemalt worden, links steht die Datierung 1479, die 1 fehlt und die 4 ist angeschnitten, rechts stehen die Eigennamen der Meister Ulrich und Reinhard.

Bis 1525 waren die Ämter des Hochmeisters und des Deutschmeisters (Magister Germaniae) getrennt, erst in diesem Jahr verschmolzen sie in einer Person, zeitgleich mit der Verlegung des Hochmeistersitzes nach Mergentheim. Der Hochmeister ist das Oberhaupt des Gesamtordens, der Deutschmeister seit 1219 der Landmeister, der für die Balleien im Heiligen Römischen Reich zuständig war, seit 1381 auch für Italien. 1494 wurde der Deutschmeister in den Rang eines Reichsfürsten erhoben. Nach der Verselbständigung Preußens verschmolzen beide Ämter in der Person des Walter von Cronberg als "Administrator des Hochmeistertums". Seitdem führte das Oberhaupt des Deutschen Ordens den kombinierten Titel "Hoch- und Deutschmeister".

Abfolge der Deutschmeister nach einer in die Deckenkehle gemalten Wappengalerie im Hochschloß von Bad Mergentheim mit dem jeweils dort angegebenen Jahr: Eberhard von Sayn 1251, Dietrich Graf von Grüningen 1254, Conrad Burggraf von Nürnberg 1257, Werner von Battenberg 1271, Gebhart Graf von Hirschberg 1273, Mathias ?? 1283, Conrad von Feuchtwangen 1284, Gottfried von Hohenlohe 1294, Johann von Nesselrode 1297, Siegfried von Feuchtwangen 1298, Winrich von Bosweiler 1303, Eberhard Herr von Selzburg/Sulzberg 1305, Conrad Herr zu Gundelfingen 1323, Wolfgang (Wolfram) Graf zu Nellenburg 1333, Philipp Herr von Bickenbach 1363, Gottfried Graf zu Hanau 1375, Johann von Heyn (Hain) 1376, Konrad von Rüdt 1380, Siegfried von Venningen 1382, Johann von Krotz 1396, Konrad von Egloffstein 1396, Dietrich von Wintershausen 1417, Eberhard von Seinsheim 1420, Eberhard v. Stetten 1444, Jost von Venningen 1448, Ulrich von Lentersheim 1455, Reinhard von Neipperg 1480, Endris (Andreas) von Grumbach 1489, Hartmann von Stockheim 1499, Johann Adelmann von Adelmannsfelden 1510, Dietrich von Cleen 1515, Walther von Cronberg 1527.

Literatur, Links und Quellen:
Siebmachers Wappenbücher
Informationstafel am Pfarramtsgebäude
Hans-Georg Böhm: Hochmeisterwappen des Deutschen Ordens 1198-1618, Frankonia Buch 1990, Fränkische Nachrichten Druck- und Verlags-GmbH, Tauberbischofsheim, ISBN 3-924780-15-3
800 Jahre Deutscher Orden, Ausstellung des Germanischen Nationalmuseums Nürnberg in Zusammenarbeit mit der Internationalen Historischen Kommission zur Erforschung des Deutschen Ordens, Ausstellungskatalog, Bertelsmann Lexikon Verlag, Gütersloh/Münschen 1990, ISBN 3-570-07434-x und 3-570-06676-2.
Die Hochmeister der Residenz Mergentheim, Heft 15 der Schriftenreihe der Vereinigung zur Förderung der wissenschaftlichen Erforschung der Geschichte des Deutschen Ordens e.V. und der Historischen Deutschordens-Compagnie Bad Mergentheim e.V., 1997
http://www.heraldique-europeenne.org/Armoriaux/Teutonique/index.html
Lentersheim: Otto Rohn, Die Herren von Lentersheim im Mittelalter, In: Alt-Gunzenhausen, 37, 1977, S. 31-47.
Lentersheim:
http://de.wikipedia.org/wiki/Lentersheim_%28Adelsgeschlecht%29
ein herzliches Dankeschön an Frau Irmgard Prommersberger für wertvolle Hinweise zu Ulrich von Lentersheim
Regesta Historico-diplomatica Ordinis S. Mariae Theutonicorum 1198-1525, bearbeitet von Erich Joachim, herausgegeben von Walther Hubatsch, Band 1 und 2, 1948/73
Otto Rohn, in Gunzenhäuser Heimat-Bote 9, Nr. 17 f.
Karl Heinrich Lampe: Bibliographie d. Deutschen Ordens, bearbeitet von K. Wieser, 1975
Christoph Gustav von Lentersheim (+ 1779): Familiengeschichte der Lentersheim, im Archiv der Freiherren von Eyb, Schloß Rammersdorf, Leutershausen (Mittelfranken)
Bernhard Jähnig: Ulrich von Lentersheim, in Neue Deutsche Biographie Bd. 14 (1985), S. 219

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