Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 3029
Geisenheim (Rheingau-Taunus-Kreis)

Pfarrkirche Heilig Kreuz ("Rheingauer Dom"): Wilhelm von Scharfenstein

  In der westlichen Vorhalle der Geisenheimer Pfarrkirche Heilig Kreuz steht die 2,40 m x 1,42 m messende Grabplatte des 1496 verstorbenen Ritters Wilhelm von Scharfenstein, der "a dextris iuxta aram majorem" bestattet worden ist, also rechts nahe beim Hochaltar. Der Kontrast zwischen den sehr gut erhaltenen vertieften Partien und den groben Beschädigungen an allen erhaben herausragenden Partien offenbart das Schicksal dieser ältesten Grabplatte in der Kirche: Die einstige Deckplatte eines Hochgrabes wurde während einer barocken Umgestaltung der Kirche absichtlich "eingeebnet", alle vorstehenden Partien wurden grob abgeschlagen, damit man die Platte andersherum legen und als Tischplatte verwenden konnte - bis 1936 wurde die Platte so als Mensa für den Hochaltar verwendet. Auch die Inschrift ist komplett verloren gegangen, vielleicht war sie auch früher nur aufgemalt, oder der Rand wurde für die Zweitverwendung als Mensa ebenfalls abgearbeitet. Seit 1936 befindet sich die ehemalige Tumbenplatte an der nördlichen Innenwand der Westvorhalle.

Im stark vertieften Mittelfeld ist das überlebensgroße Relief des den Betrachter frontal anschauenden Ritters in voller Rüstung noch gut zu sehen. Insgesamt gibt es vier Wappen, oben zwei Vollwappen mit Inhalt, unten zwei leere Wappenschilde neben den Unterschenkeln. Zu Füßen des Ritters, der sehr spitz zulaufende Plattenschuhe trägt, kauern zwei Löwen.

Der historisch interessierte Mainzer Geistliche Georg Helwich (Syntagma monumentorum et epitaphiorum 282, 1611-1623) überliefert die einstige Inschrift wie folgt: "Anno domini m cccc Ixxxxvi vf den xxx Dag des Mondes Maii starb der vest Wilhelm von Scharppenstein seines Alters Ixxxii Jar dem Gott vnd allen glaubigen Selen barmhertzig si amen". Damals war die Platte noch nicht abgearbeitet.

Beide Wappen zeigen zwei Balken, als Helmzier einen mit zwei Balken belegten Flug. Die von Scharfenstein, eine Kiedricher Burgmannenfamilie auf Burg Scharfenstein, existierten in mehreren Linien, die sich hinsichtlich ihres Wappens unterschieden. Wilhelm von Scharfenstein gehörte zu den Grünen von Scharfenstein, die in Silber einen grünen Balken führen, der oben von einer grünen Leiste begleitet wird, auf dem Helm ein wie der Schild bezeichneter Flug. Dem entspricht der Befund hier nicht, der eindeutig zwei gleich breite Balken zeigt.

Andere Linien der Scharfensteiner sind die Schwarzen (in Silber ein schwarzer Balken zwischen zwei schwarzen Leisten, auf dem Helm ein wie der Schild bezeichneter Flug, die Scharfensteiner mit den Steinen (in Silber ein schwarzer Balken begleitet von schwarzen Schindeln) und die Cratz von Scharfenstein (in Silber ein roter Balken begleitet von schwarzen Schindeln).

Wilhelm von Scharfenstein war gemäß zeitgenössischen Dokumenten der Sohn eines nicht näher überlieferten Herrn von Scharfenstein und von Margarethe von Lindau; Helwich nennt das Wappen Lindau bei seiner Beschreibung der Platte. Nach Humbracht Tafel 216 hat Wilhelm von Scharfenstein eine Tochter von Konrad von Erlen und Lisa von Hohenweisel geheiratet. Die genannten Familien entsprechen nicht dem Wappen heraldisch links oben, das weiterhin als ungeklärt zu bezeichnen ist.

Literatur, Links und Quellen:
Lokalisierung auf Google Maps: https://www.google.de/maps/@49.9827454,7.9674183,20.46z - https://www.google.de/maps/@49.9827454,7.9674183,81m/data=!3m1!1e3
Kirchenwebseite:
https://heilig-kreuz-rheingau.de/
Manfred Laufs, Elisabeth Will-Kihm: Der Rheingauer Dom Geisenheim, Kirchenführer, hrsg. von dem kath. Pfarramt Hl. Kreuz Geisenheim, Geisenheim 2008
Wilhelm von Scharfenstein 1496, Geisenheim, in: Grabdenkmäler
https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/gdm/id/1952
Deutsche Inschriften 43, die Inschriften des Rheingau-Taunus-Kreises, gesammelt und bearbeitet von Yvonne Monsees, 1997, S. 247 f., Nr. 292
Georg Helwich: Syntagma monumentorum et epitaphiorum, 1611-ca. 1623 S. 228
Verwendung der Innenaufnahmen mit
freundlicher Erlaubnis von Frau Ursula Semmler, Verwaltungsleitung, vom 1.9.2022, wofür ihr an dieser Stelle herzlich gedankt sei.

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