Bernhard
Peter
Galerie:
Photos schöner alter Wappen Nr. 3030
Geisenheim
(Rheingau-Taunus-Kreis)
Pfarrkirche Heilig Kreuz ("Rheingauer Dom"): Wappenstein der ehemaligen Landwehr
Zwischen dem Stockheim-Epitaph und dem Hochaltar steht die Nachbildung eines querrechteckigen Wappensteines, der vom ehemaligen, nördlich von Geisenheim gelegenen Bollwerk Weißenturm stammt und auf 1492 datiert ist. Das Bollwerk war Teil des Rheingauer Gebücks, der Grenzbefestigung des kurmainzischen Rheingaus, die in erster Linie aus undurchdringlichen Bäumen und Hecken bestand. Buchen, Eichen und vor allem Hainbuchen wurden immer wieder abgeschnitten, bis die vielen neu ausgetriebenen, künstlich zur Seite gebogenen und vor dem Erstarken miteinander verwobenen Äste eine undurchdringliche Wand aus Stämmen bildeten. Dazwischen wachsende Brombeeren und Schlehen machten diese einfache Landwehr schwer passierbar. Nur an neuralgischen Punkten wurde das Gebück durch Bollwerke verstärkt. Das Original dieses Steines wurde nach dem Abriß der Befestigungsanlage 1816 in die Sammlung Nassauischer Altertümer im Museum Wiesbaden verbracht; es ist aus gelbem Sandstein. In dieser Nachbildung wurden die beschädigten Partien ausgeglichen und nachmodelliert.
Zwei behelmte und gerüstete Ritterfiguren mit Schwert an der Seite dienen als Schildhalter. Der Schild ist halbgeteilt und gespalten und vereint drei Kommunalwappen. In Feld 1 (rechts oben) steht das Wappen von Geisenheim. Wir sehen zwei mit einer Brücke verbundene Türme, oben begleitet von einem sechsspeichigen Wagenrad. Das Wappen war mehrfachen Änderungen unterworfen. Die Türme erscheinen bereits auf Siegeln des 15. Jh. Im Tor erschien das Mainzer Doppelrad, das jedoch während des 19. Jh. in zwei einzelne Räder aufgeteilt wurde. Erst war die Feldfarbe Rot, die Türme und die Brücke waren silbern mit blauem Dächern, die sechsspeichigen Räder waren silbern. Seit dem 19. Jh. werden zwei einzelne Räder geführt, eines über und eines unter der Brücke. Dann wechselten die Farben, und alle Figuren wurden rot in silbernem Feld; die Räder wurden achtspeichig. 1978 änderte man wieder, das untere Rad wurde gegen einen Drachen ausgetauscht, das obere Rad bekam wieder sechs Speichen. In der heute gültigen Form wird das Wappen so blasoniert: In Silber zwei doppelgeschossige rote Türme, durch eine gedeckte Brücke verbunden, über der Brücke ein sechsspeichiges rotes Rad; unter der Brücke ein abgewendeter, roter, feuerspeiender Drache, von einer Lanze durchbohrt. Der Drache steht für das 1972 eingemeindete Stephanshausen, das ihn aber vorher grün in goldenem Feld geführt hatte. In der neuen Interpretation steht das obere Rad für das eingemeindete Johannisberg, das ein rotes sechsspeichiges Rad in Silber geführt hatte. Die Farben sind die des Mainzer Hochstifts, zu dem Geisenheim bis 1803 gehörte.
In Feld 2 (links) steht das Wappen von Rüdesheim, der hl. Jacobus als schreitender Pilger mit Hut und typischem Pilgerstab in den Händen. Der hl. Jacobus ist einer der beiden Stadtpatrone, der andere ist der hl. Martin. Eigentlich führt die Stadt beide Heilige im Wappen, vermutlich wurde aus Platzgründen nur einer dargestellt. In der heutigen Form ist das Rüdesheimer Wappen wie folgt aufgebaut: In Rot über grünem Schildfuß ein golden nimbierter und golden gerüsteter silberner Reiter (St. Martin) auf einem auf der Schildfußlinie schreitendem goldgezäumtem silbernem Roß, seinen blauen Mantel mit der Linken hebend und mit silbernem Schwert in der Rechten teilend, rechts auf dem Schildgrund ein golden nimbierter silberner bärtiger Mann mit langem Gewand und Pilgerhut (St. Jacobus), in der Rechten ein schwarzes Buch mit rotem Schnitt, in der Linken einen goldenen Pilgerstab am Körper haltend, schräg links oberhalb begleitet von einer silbernen Jakobsmuschel, in der Schildfußmitte ein linksgewendet sitzender goldenhaariger silberner Bettler, barfuß im Lendentuch, mit angewinkeltem linken und ausgestrecktem rechten Bein, mit hilfesuchend erhobenen Armen, in der linken Hand eine schwarze Krücke haltend. So umfangreich ist die Beschreibung, daß sie mehr ein Gemälde als ein gutes Wappen wiedergibt. Gegen die heraldische Qualität dieses Wappens spricht nicht nur die Fülle der gemeldeten und damit für wichtig gehaltenen Details, sondern auch das Aneinanderstoßen einer roten und einer grünen Fläche. Zeitweise führte Rüdesheim auch ein erheblich einfacheres und besseres Wappen mit der Pilgermuschel als pars pro toto: In Rot ein goldener Schrägbalken, alles überdeckt von einer silbernen Jakobsmuschel.
In Feld 3 (rechts unten) schließlich folgt noch das Wappen für Assmannshausen, in Rot ein silbernes Astkreuz. Seit 1971 führt Assmannshausen einen gespaltenen Schild, rechts in Rot ein silbernes Astkreuz, links in Silber ein achtspeichiges rotes Rad. Das Astkreuz steht für die lokale Pfarrei, das Rad für das Hochstift Mainz. 1977 wurde der Ort nach Rüdesheim eingemeindet.
Alle drei Gemeinden unterhielten gemeinsam das eingangs genannte Bollwerk. Erst 1771 wurde die Grenzbefestigung aufgegeben, danach verfielen sowohl das Gebück als auch die errichteten Bollwerke. Viele Stellen des Gebücks wurden gerodet, und die gemauerten Befestigungen waren willkommene Quellen für billiges Baumaterial. Ein weiterer Stein dieses Typs ist am Forsthaus Weißenturm eingemauert, etwas anders, ohne Schildhalter, dafür mit umlaufender Inschrift. Es zeigt in gespaltenem Schild nur die Wappen von Geisenheim rechts mit zwei Rädern und von Rüdesheim mit dem hl. Jacobus links, und es ist ebenfalls auf 1491 datiert.
Literatur,
Links und Quellen:
Lokalisierung auf Google Maps:
https://www.google.de/maps/@49.9827454,7.9674183,20.46z - https://www.google.de/maps/@49.9827454,7.9674183,81m/data=!3m1!1e3
Kirchenwebseite: https://heilig-kreuz-rheingau.de/
Manfred Laufs, Elisabeth Will-Kihm: Der Rheingauer Dom
Geisenheim, Kirchenführer, hrsg. von dem kath. Pfarramt Hl.
Kreuz Geisenheim, Geisenheim 2008
Deutsche Inschriften 43, Rheingau-Taunus-Kreis, Nr. 284()
(Yvonne Monsees), in: www.inschriften.net, https://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0238-di043mz05k0028401
Geisenheimer Wappen: https://de.wikipedia.org/wiki/Geisenheim#Wappen
Geisenheimer Wappen: https://www.heraldry-wiki.com/heraldrywiki/wiki/Geisenheim
Rüdesheimer Wappen: https://de.wikipedia.org/wiki/Rüdesheim_am_Rhein#Wappen
Rüdesheimer Wappen: https://www.heraldry-wiki.com/heraldrywiki/wiki/Rüdesheim_am_Rhein
Wappen von Assmannshausen: https://de.wikipedia.org/wiki/Assmannshausen#Wappen
Wappen von Assmannshausen: https://www.heraldry-wiki.com/heraldrywiki/wiki/Assmannshausen
Deutsche Inschriften 43, Rheingau-Taunus-Kreis, Nr. 281 (Yvonne
Monsees), in: www.inschriften.net, https://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0238-di043mz05k0028107
Rheingauer Gebück: https://de.wikipedia.org/wiki/Rheingauer_Gebück
Verwendung der Innenaufnahmen mit freundlicher Erlaubnis von Frau Ursula Semmler,
Verwaltungsleitung, vom 1.9.2022,
wofür ihr an dieser Stelle herzlich gedankt sei.
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