Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 217
Stopfenheim - einstige Deutschordensvogtei bei Ellingen

Die Pfarrkirche St. Augustinus in Stopfenheim (Franken)

Heute gehört Stopfenheim als Stadtteil zu Ellingen. Früher war hier Sitz einer der Landkommende Ellingen zugehörigen Vogtei. Daher sind im Ort Stopfenheim heraldische Zeugnisse der Deutschordens-Präsenz zu finden, allen voran an der Hauptfassade der katholischen Pfarrkirche St. Augustinus an der Ellinger Straße. Die Kirche ist im Spätrokoko entstanden, typisch der einspringende Turm der östlichen Schau- und Eingangsfront, errichtet 1773-75 von Matthias Binder.

Die Schaufront trägt zwei Prunkwappen des späten Rokoko übereinander, zuoberst das Wappen des amtierenden Hochmeisters. Zur Erbauungszeit war das Karl Alexander Herzog von Lothringen (1761-1780). Erwurde am 12.12.1712 geboren, 1761 zum Deutschordensritter gemacht und gleich am Folgetag (!) zum Hoch- und Deutschmeister gewählt. Das nennt man einen Senkrechtstart! Oder ist es Ausdruck der Hohlheit eines Amtes, das nur noch der Versorgung von Prinzen abseits der Thronfolge diente und jeglichen Sinnes schon entleert war? Viel bedeutsamer für die Geschichte war seine Funktion als Generalgouverneur der österreichischen Niederlande. Ebenfalls ist sein Name mit dem Regiment der "Deutschmeister" verbunden, dessen Kommandeur er war. Er starb 1780 und liegt in Brüssel (St. Gudulla) begraben. Hier also sein Wappen an einer Pfarrkirche, die er vermutlich nie im Leben gesehen hat. Man beachte vor allem die Dekoration im Stile der Zeit mit militärischen Versatzstücken wie Trompeten, Kanonenrohren und Fahnen, die hinter der Kartusche im unteren Bereich hervorschauen.

Das Wappen im Detail, Zuordnung
Der Schild der Herzöge von Lothringen ist geteilt und dreimal gespalten. Die 8 Felder werden wie folgt zugeordnet:

Feld 1: Alt-Ungarn – 7x rot-silbern geteilt Feld 5: Anjou – Innerhalb eines roten Bordes Blau mit goldenen Lilien besät. Der rote Bord ist hier weiß/silbern tingiert.
Feld 2: Königreich Neapel – Blau, mit goldenen Lilien besät, darüber ein roter Turnierkragen Feld 6: Herzogtum Geldern / Gelderland – In Blau ein goldener Löwe, rot bewehrt und bezungt, hier gewendet
Feld 3: Königreich Jerusalem – In Silber ein goldenes Jerusalemkreuz, hier etwas dilettantisch gelöst Feld 7: Herzogtum Jülich – In Gold ein schwarzer Löwe, rot bewehrt und bezungt
Feld 4: Neu-Aragon – In Gold vier rote Pfähle, hier nicht so ganz getroffen Feld 8: Herzogtum Bar – In Blau, besät mit goldenen wiedergekreuzten Steckkreuzchen (hier vereinfacht), zwei voneinander abgewendete aufrechte goldene Barben

Über allem ein Hochmeisterkreuz, ein schwarzes durchgehendes Kreuz, belegt mit einem goldenen Lilienkreuz, ein Herzschild in Gold belegt mit einem schwarzen Adler.

Das Hochmeisterkreuz mit seinem Adler-Schild ist noch einmal von einem weiteren Herzschild belegt, der das Stammwappen der Herzöge von Lothringen trägt: In Gold ein roter Schrägrechtsbalken, belegt mit drei silbernen Alerions. Das ist das eigentliche Stammwappen der Herzöge von Lothringen seit 1048.

Lebenslauf von Hochmeister Karl Alexander von Lothringen und Bar:

Seine Wahl zum Hochmeister liegt in einer Zeit, in der der Deutsche Orden quasi ein Hausorden der Habsburger geworden war, und in der der Hochmeisterposten eine Versorgungsstelle für Prinzen aus dem Hause Habsburg war, mit ausgezeichneter finanzieller Absicherung und Einflußmöglichkeiten als Reichsfürst.

Das Wappen des Landkomturs
Darunter befindet sich das Wappen des Ellinger Landkomturs, dem die Vogtei in Stopfenheim unterstand, und der hier der eigentliche Bauherr war: Franz Sigismund Adalbert Freiherr von Lehrbach (reg. 1765-1787). Die von Lehrbach sind eine hessische Adelsfamilie mit dem Stammsitz Lehrbach bei Kirtorf östlich von Marburg und führen einen rot-schwarz-silbern zweimal geteilten Schild. Die Helmzier ist ein wie der Schild bez. offener Flug. Der Lehrbach-Schild ist mit dem Deutschordenskreuz geviert und zusätzlich von einem zweiten Schild mit dem schwarzen Deutschordenskreuz in Silber unterlegt (Abb. unten). Ein weiteres Lehrbach-Wappen deutlich schlechterer Qualität und Erhaltung ist an einem landwirtschaftlichen Gebäude gegenüber dem Vogteischloß zu finden. In Zusammenhang mit dem Deutschen Orden ist im Deutschordensschloß zu Münnerstadt im Innenhof ebenfalls ein Lehrbach-Wappen zu finden, das aber einer anderen Person zuzuordnen ist.

Literatur:
Die Hochmeister der Residenz Mergentheim, Heft 15 der Schriftenreihe der Vereinigung zur Förderung der wissenschaftlichen Erforschung der Geschichte des Deutschen Ordens e.V. und der Historischen Deutschordens-Compagnie Bad Mergentheim e.V., 1997
http://www.heraldique-europeenne.org/Armoriaux/Teutonique/index.html
http://www.people.freenet.de/heckmann.werder/Wappen.htm
Eugen Schöler, Historische Familienwappen in Franken, Verlag Degener 3. Aufl. 1999

Stopfenheim (Franken): Pfarrkirche - Deutschordensvogtei

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