Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 751
Barockstadt Fulda

Fulda: Palais von der Tann (Kavaliershäuser)

Das direkt dem Stadtschloß seitlich gegenüberliegende Palais von der Tann (Schloßstraße 4) wurde 1737-1739 von dem Barock-Architekten Andrea(s) Gallasini errichtet. Eigentlich ist das Palais nur die linke Hälfte eines symmetrischen Paares von Kavaliershäusern; das andere ist das Palais Buttlar rechts. Beide Palais rechts und links der Friedrichstraße waren wichtige Elemente der städtebaulichen Neugestaltung des Schloßplatzes und schufen eine einheitliche Platzfront, eine Architekturkulisse von 120 m Breite und eine repräsentative Rahmung des Zugangs in die Bürgerstadt. Beide rahmen die Friedrichstraße, die im Herzen der Stadt am Kanzlerpalais endet, das den Endpunkt der Sichtachse bildet. Exakte Entsprechung der Proportionen und der Bauformen erzeugen eine fast monumental zu nennende Wirkung. Die Umgestaltung wurde unter Fürstabt Adolf von Dalberg begonnen und unter Fürstabt Amand von Buseck vollendet. Dreigeschossige Eckpavillons flankieren zweigeschossige Verbindungstrakte und rhythmisieren so die Baumasse. Typische Gestaltungselemente Gallasinis sind genutete Ecklisenen, Fensterrahmen mit den Viertelkreis-Aussparungen an den oberen Ecvken und Gurtgesims. All diese Merkmale lassen sich auch an der Universität und am Heilig-Geist-Hospital wiederfinden, weitere Arbeiten Gallasinis. Ausführende Handwerker waren die Maurermeister Matthias Böhm und Gallus Diemar sowie Simon Schwager für die vorgelagerten Stallungen und für die erst 1741 in zwei Etappen vollendeten Balustraden. Als Zimmermeister war Paul Sittig an den Kavaliershäusern tätig.

Hier waren Wohnungen hoher Hofbeamter der weltlichen Regierung. Baumeister Gallasini zog selber in den Trakt an der Friedrichstraße ein. Ein anderer Bewohner dieses Traktes war Graf Tattenbach. In den östlichen Gebäudetrakt zogen Oberjägermeister Friedrich Johann Lothar von Hanxleden (1687-1770), Hofkammerdirektor Karl Benedikt Welle (1718-1799) und Geheimrat Dr. med. Hans Burkhard von Schlereth (1703-1766) ein, letzterer in den Eckpavillon östlich der Friedrichstraße. 1786 ging der Trakt des Herrn von Hanxleden an Geheimrat Friedrich von der Tann über, daher der Name für das Palais. Am 29.12.1814 kaufte der Weinhändler Michael Müller einen Teil des Hauses. Er betrieb hier seinen Weinhandel und eröffnete im Folgejahr einen Gasthof. Seit 1815 wurde das Gebäude als Hotel und Restaurant benutzt. im 19. Jh. stiegen hier mehrere Prominente als Gäste ab, darunter Zar Nikolaus I. und Queen Victoria. In den Jahren 1816-1867 war hier auch die Thurn- und Taxis'sche Post untergebracht. Danach wurde hier das Hotel Kurfürst geführt, weshalb das Palais im Volksmund "Kurfürst" heißt. 1971 kaufte der Gastronom Richard Schimetschka das Hotel. Danach kam das Anwesen 1997 in den Besitz des Arztes und Unternehmers Dr. Lutz Helmig aus Grebenhain. Hier war lange die Konzernzentrale der Helios-Kliniken und außerdem der Sitz der Aton GmbH beziehungsweise ihrer Tochter Edag Engineering GmbH. Der Hotel- und Gastronomiebetrieb wurde noch bis 2017 fortgeführt, aber nur als Gästehaus für Aton sowie der EDAG. Danach wurde das Gästehaus aufgegeben; die Flächen wurden zu Büros umgebaut. 2018 erwarb die Stadt Fulda das historische Hotel "Kurfürst" sowie drei angrenzende Immobilien, Nonnengasse 19 und 21 sowie Friedrichstraße 26 für einen einstelligen Millionenbetrag unter Übernahme der bestehenden Mietverträge. Im ersten Obergeschoß haben sich die Räume teils im bauzeitlichen Zustand, teils aus den Ausstattungsphasen ca. 1750/1760 und 1784 erhalten. Zwei Zimmer im Schlereth-Teil sind besonders hervorhebenswert, weil sich dort die um 1738 entstandenen Stuckdecken des Andreas Schwarzmann aus der Bandelwerkzeit erhalten haben.

Ein Wappen der fränkischen Familie von der Tann sucht man an der Fassade vergeblich. Stattdessen finden wir hessische Heraldik aus der Zeit des Kurfürstentums Hessen. 1824 bekam Michel Müller, der Betreiber des Gasthofes und Hotels, vom Kurfürsten von Hessen-Kassel die Erlaubnis, das von ihm geführte Haus „Zum Kurfürsten“ zu nennen. Deshalb ist auch das hessische Wappen an der Fassade, einmal direkt über dem Portal, einmal etwas kleiner rechts oben im ersten Obergeschoß, inhaltlich identisch, doch etwas anders in der Ausführung..

Wappen über dem Portal

Das vollständig vergoldete Wappen von Kurhessen mit zwei widersehenden, gekrönten Löwen als Schildhaltern berücksichtigt im Vergleich zu vorhergehenden Versionen, daß 1815 die Landgrafen das ehemalige Fürstbistum Fulda jetzt als Großherzogtum zu ihrem Kurstaat erhalten hatten. Das Wappen, das in dieser Form 1815-1866 geführt wurde, ist wie folgt aufgebaut:

Wappen rechts zwischen den Fenstern des Obergeschosses

Zwischen den Fenstern des Obergeschosses befindet sich links noch ein Allianzwappen aus zwei unter einer Krone zusammengestellten und einander zugeneigten Schilden (ohne Abb)., das eine ist der kurfürstlich-hessische Löwe aus dem Herzschild, das andere ist der preußische Adler. Friedrich Wilhelm Georg Adolph Landgraf von Hessen-Kassel (26.11.1820-14.10.1884) hatte am 26.5.1853 in Charlottenburg Prinzessin Marie Anna Friederike von Preußen (17.5.1836-12.6.1918) geheiratet. Die gleiche Kombination ist in Farbe am Haus Rauscher angebracht.

Literatur:
Michael Imhof, Fulda - Ein Führer durch die Barockstadt, Michael Imhof Verlag, 3. Auflage 2006, ISBN 3-935590-03-2 und 978-3-935590-03-7
Hotel Kurfürst:
http://www.kurfuerst-fulda.de/
Volker Rößner, Sabine Wagner, Sabine Fechter: Andrea(s) Gallasini 1681-1766: Vom Stuckateur zum fürstlichen Baumeister in Fulda, 320 S., Verlag Michael Imhof Verlag, 2018, ISBN-10: 3731907178, ISBN-13: 978-3731907176, S. 226-229
Gregor Stasch und Lutz Helmig (Hrsg.): Das Haus Kurfürst in Fulda - drei Jahrhunderte eines barocken Palais, 80 S., Michael Imhof Verlag, 2018, ISBN 978-3-7319-0736-7
Fulda - das Stadtlexikon, hrsg. vom Fuldaer Geschichtsverein e. V., Redaktion: Thomas Heiler und Klaus H. Orth, Parzellers Buchverlag, Fulda 2019, ISBN 978-3-7900-0542-4, S. 369-371

Orangerie - Floravase - Hauptwache - Paulustor - Stadtschloß: Ehrenhof (1) - Stadtschloß: Ehrenhof (2) - Stadtschloß: Brunnen - Stadtschloß: Zentralhof - Stadtschloß: hinterer Hof - Stadtschloß: Längsseite zur Stadt - Stadtschloß: gartenseitiges Portal - Konventsgebäude/Priesterseminar - Hof- und Klosterbibliothek - Am Frauenberg - Stadtpfarrkirche St. Blasius - Obelisken auf dem Domplatz - Hauptportal des Domes - Domdechanei - Stützmauer Michaelsberg - Päpstliches Seminar - Alte Universität - Heiliggeistkirche - Abteikirche St. Maria - Eichenzell: Schloß Fasanerie (1) - Schloß Fasanerie (2) - Altes Rathaus - Palais von der Tann - Domsingschule

Die Entwicklung des Hessischen Wappens
Das Feld für Münzenberg und seine Verbreitung in deutschen Adelswappen

Ortsregister Photos von Wappen - Namensregister
Zurück zur Übersicht Heraldik

Home

© Copyright Text, Graphik und Photos: Bernhard Peter 2007, 2020
Impressum