Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 3011
Wolframs-Eschenbach (Landkreis Ansbach)

Die Deutschordens-Vogtei von Wolframs-Eschenbach

Direkt links vom Schloß steht die ehemalige Ordensvogtei, die heute als Gasthof genutzt wird. Ein massiv gemauertes Erdgeschoß trägt ein Fachwerkobergeschoß mit 6 Fensterachsen zur Hauptstraße hin. Darüber erhebt sich ein Fachwerkgiebel mit Ladeluke und kleinen Belüftungsfenstern. Auf den Flächen des steilen Satteldachs sind in zwei Reihen Dachgauben angeordnet. Die Vogtei wurde um bzw. kurz vor 1600 erbaut und im 18. Jh. umgebaut. Das Fachwerk des ersten Stocks und des untersten Dachgeschosses ist noch original, dasjenige der beiden oberen Dachgeschosse wurde erneuert. Besonders schön ist das Fachwerk an der Seite, wenn man in den Zwischenraum zum Schloß hineingeht. Linkerhand der Vogtei befindet sich das ehemalige Fürstengasthaus. Die Vogtei ist also mittendrin in der Neubebauung der Renaissancezeit, als man die gesamte Ortsmitte neu gestaltete.

Diese Lust am neuen Bauen, am Verschönern der Stadt war sichtbarer Ausdruck der Überwindung tiefer Krisen, die das vergangene Jahrhundert gebracht hatte. Die Reformationszeit brachte Unruhen mit sich, die im Bauernkrieg mündeten: Die Landbevölkerung lehnte sich gegen die Herrschaft auf, und der Deutsche Orden stand mittlerweile auf der Herrenseite und wurde ebenso Ziel des Bauernzornes. Dem Orden selbst brach mit dem Staatsstreich des Hochmeisters Albrecht von Brandenburg auf einen Schlag ein riesiges Territorium weg, er mußte sich in Mergentheim neu aufstellen. Markgraf Kasimir von Brandenburg-Ansbach besetzte 1525 kurzerhand Eschenbach und entriß die Stadt dem Deutschen Orden, indem er die Bürger sich selbst huldigen ließ. 1526 gab er die Stadt und die zugehörigen Dörfer an den Orden zurück. Markgraf Georg von Brandenburg-Ansbach führte die Reformation in seinem Territorium ein, und er enteignete das Kloster Heilsbronn. Das dieses etliche Dörfer in der Gegend sein eigen nannte, wurden diese jetzt alle markgräflich und protestantisch. Deren ganze Bevölkerung war jetzt nicht mehr auf Eschenbach orientiert, primär nicht auf die Kirche, sekundär dann auch nicht mehr zum Einkaufen. Markgraf Albrecht Alcibiades versuchte 1552, die Kontrolle über ganz Franken zu erlangen, und Eschenbach wurde wieder besetzt, genauso wie das nürnbergische Lichtenau. Noch im selben Jahr konnte der Orden wieder seine Territorien in Besitz nehmen. Die nachfolgenden Markgrafen verzichteten auf militärische Dummheiten, aber sie schmälerten überall die Interessen Eschenbachs und seiner Pfarrei, wo es möglich war. Dem Eichstätter Fürstbischof wurde die Lage zu brenzlig, so daß er den Dekanatssitz von Eschenbach nach Spalt verlegen. Alles trug dazu bei, daß die Deutschordensstadt wirtschaftlich, religiös und politisch geschwächt wurde. Erst in der zweiten Hälfte des 16. Jh. stabilisierte sich die Lage wieder. Neuer Wohlstand war möglich, vor allem gab es neue architektonische Vorbilder. Dazu gehörten neben den Kirchen auch repräsentative Bauten der Herrschaft. Das Machtgefüge des Ordens hatte sich auch zugunsten Eschenbachs verschoben: Preußen war verloren, Livland war verloren, das neue Machtzentrum lag in Mergentheim, die Landkommende lag in Ellingen, und Eschenbach lag dazwischen und rückte so in den Focus der Wahrnehmung der Ordensoberen. Deswegen entschied man sich, die neuen Strömungen zu nutzen und Eschenbach mit einem repräsentativen Zentrum auszustatten und ihm so Gewicht und Attraktivität zu geben. Im Zuge dieser Neubebauung der Mitte entstand die Vogtei als Amtssitz des Vogtes und damit als Zentrale der Macht. Im Gegensatz zum Schloß, das temporär von den Ordensoberen auf Durchreise bewohnt wurde, war die Vogtei der Ort, wo tagtäglich die Interessen des Ordens geregelt wurden, also wo die wirkliche Verwaltung der Ordensstadt stattfand.

Der Giebelseite wurde nach Vollendung des Hauses straßenseitig ein Portal aus Sandstein im Stil der Spätrenaissance vorgeblendet, das eigentliche Prunkstück des Gebäudes. Zwei das Rundbogenportal flankierende Säulen mit beiderseits schneckenförmig eingerollten Kapitellen tragen auf dem Gebälk zwei Wappen, zwischen denen ein querovales Fenster von einer dreieckigen Verdachung überhöht wird. Das heraldisch rechte, optisch linke Wappen ist das von Johann Konrad von Schutzbar gen. Milchling, der Komtur zu Ellingen und Nürnberg und 1606-1617 Landkomtur der Ballei Franken war. In letzterer Rolle ist er hier am Portal verewigt. Sein Wappen zeigt in Silber drei (2:1) zum Dreipaß verbundene schwarze gestielte Lindenblätter (auch als Kugeln oder Herzen dargestellt je nach Darstellung und Quelle), unterlegt vom Deutschordensschild. Er darf nicht mit dem berühmteren Verwandten Wolfgang Schutzbar gen. Milchling verwechselt werden, dem früheren Hochmeister des Deutschen Ordens in Bad Mergentheim. Auch dieser war einmal Landkomtur, aber nicht in Ellingen und der Ballei Franken, sondern in Marburg für die Ballei Hessen. Das andere Wappen ist für Michael von Danketsweiler, der 1610-1620 Hauskomtur der Nürnberger Ordensniederlassung war und in Gold eine schwarze Lilie führte (im Scheiblerschen Wappenbuch in dieser Tingierung, im Siebmacher Band: WüA Seite: 4 Tafel: 11 invers). Aus den Amtszeiten der mit Wappen vertretenen Personen ergibt sich als Bauzeit das Zeitfenster 1610-1617, was bestens zur dendrochronologischen Datierung auf 1610 paßt. Im Inneren der Vogtei gibt es noch ein Wappen des Landkomturs Volprecht von Schwalbach, der als solcher 1566-1602 amtierte, was darauf schließen läßt, daß das Haus selbst wenige Jahre vor dem Portal entstanden sein muß.

 

Literatur, Links und Quellen:
Lokalisierung auf Google Maps: https://www.google.de/maps/@49.2268281,10.7255582,21z - https://www.google.de/maps/@49.2268281,10.7255582,41m/data=!3m1!1e3
Erwin Seitz, Oskar Geidner: Wolframs-Eschenbach. Der Deutsche Orden baut eine Stadt. Wolframs-Eschenbach 1997, ISBN 3-87707-510-X, insbesondere S. 99-100
Baudenkmäler in Wolframs-Eschenbach:
https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Baudenkmäler_in_Wolframs-Eschenbach

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