Bernhard
Peter
Wappenarten
und Wappengattungen
Es gibt eine Vielzahl von Wappenarten, die
so unübersichtlich sind wie die Geschichte der Heraldik komplex
ist. Viele gängige Systematiken werfen bei der Ordnung der
vielen Begriffe inkommensurable Kategorien zusammen, wodurch die
Übersichtlichkeit nicht besser wird. Deshalb soll dieser Versuch
einer rationalen Einteilung nach mehreren unterschiedlichen
Fragestellungen erfolgen:
Nach
Aufbau
Zuallererst kann man die
Wappen nach ihrem Aufbau und äußeren Anschein einteilen:
Enthält es eine oder mehrere Komponenten?
- Das Stammwappen ist
meistens ein nicht weiter in Felder unterteilter Schild
- Bei einem Schild, der in mehrere
Felder unterteilt ist, von denen nur ein Feld oder zwei
Felder das Stammwappen enthält bzw. enthalten, spricht
man von einem vermehrten Wappen. Ein vermehrtes
Wappen folgt zeitlich nach dem Stammwappen. Vgl.
Wappenvermehrung.
Sind die Komponenten in einem Schild
untergebracht oder in mehreren Schilden? Bei einer Verteilung der
Komponenten auf mehrere Schilde spricht man von einem zusammengestellten
Wappen. Wenn alles in einem Schild untergebracht ist,
spricht man auch von einem zusammengeschobenen Wappen.
- In so einem Extra-Schild kann das
Wappen der Ehefrau stehen, so daß ein Allianzwappen
beider Eheleute entsteht, auch Ehewappen
oder Heiratswappen genannt
- es können in den anderen Schilden
aber auch Amtswappen untergebracht sein wie z. B.
- Bistumswappen
- Abteiwappen
- Deutschordensränge wie
Landkomturwappen
Nach
Inhalten und Komponenten
Welche Inhalte und Komponenten
sind im Wappen enthalten? Wo kommen die Komponenten her?
Verbleiben die Komponenten dauerhaft bei dem Wappenträger bzw.
seinen Nachkommen?
- Das Stammwappen ist
das eigentliche Wappen der Familie, das ihr immer
erhalten bleibt, unabhängig vom wirtschaftlichen,
politischen oder genealogischen Weg, den sie geht.
- Andere Felder in einem vermehrten
Wappen können ganz unterschiedlichen Charakter
haben:
- Territorialkomponenten (Lehen
etc.): Ein Territorialwappen ist
an eine Territorialherrschaft gebunden. Wird
diese erworben, kann die Komponente Eingang in
das vermehrte Wappen halten. Wird so eine
Territorialherrschaft veräußert oder geht sie
verloren, wird die Komponente aus dem Wappen
entfernt oder als Gedächtniswappen
beibehalten. Wenn Teile veräußert werden, kann
auch ein anderer Inhaber die gleiche Komponente
in seinem Wappen führen.
- Lehenswappen:
War das Territorium ein Lehen, spricht man vom
Lehenswappen. Es wurde geführt, solange man das
Lehen innehatte. Wenn Lehen neu vergeben wurden,
konnte das Wappen des verliehenen Territoriums
auf eine andere Familie übergehen, nachdem es
heimgefallen und neu vergeben wurde. Entsprechend
bezeichnet man das als heimgefallenes
Wappen, wenn der Inhaber eines Lehens
und Führer des Lehenswappens ohne Nachkommen
stirbt und das Lehen zur Neuvergabe offen ist.
Seit 1919 gibt es weder Lehenswappen noch
heimgefallene Wappen mehr.
- Anspruchskomponenten: Ein Anspruchswappen
ist das Wappen einer Territorialherrschaft, die
man nicht tatsächlich beherrscht, die man aber
gerne hätte oder glaubt beanspruchen zu können.
An solchen Ansprüchen wurde oft hartnäckig im
Wappen festgehalten. Vgl. Anspruchswappen.
- Eng damit verwandt sind Gedächtniswappen:
Auch das ist ein Wappen einer
Territorialherrschaft, die man nicht tatsächlich
beherrscht, die man aber früher mal innehatte.
Noch lange später sonnte man sich im Glanze
einstiger Besitzungen. Die Grenzen zum
Anspruchswappen sind fließend, je nachdem, wie
weit die Inhaber die Hoffnungen auf Wiedergewinn
noch pflegten.
- Erbkomponenten: Wird eine
Erbtochter geheiratet, gelangen die Komponenten
des Wappens deren Vaters als Erbwappen
in das Wappen des Ehemannes, sofern diese
Komponenten weitergegeben werden können. Das
Erbrecht des Adels und das Lehnsrecht ist
kompliziert, manchmal war eine Weitergabe über
eine Frau nicht möglich, dann gingen ausgesuchte
Komponenten an einen entfernteren männlichen
Verwandten oder fielen als Lehen heim. Solche
Komponenten wurden dann abgelegt oder dennoch als
Anspruchswappen oder Gedächtniswappen
aufgenommen. Die rechtmäßig ererbten
Komponenten wurden Bestandteil des vermehrten
Familienwappens und dauerhaft geführt.
- Gnadenwappen,
Gnadenzeichen, Gunstwappen:
Hierbei handelt es sich nicht um selbst
angenommene Wappen, sondern um eine als
besonderen Gunstbeweis und Auszeichnung gewährte
Wappenverbesserung, meist von einem regierenden
Souverän oder Fürsten, also jemandem, der als
höhergestellter Landesherr diese Gnade gewähren
kann. Inhaltlich ist das meistens ein Feld, das
das Motiv des landesherrlichen Wappens trägt, z.
B. der Reichsadler, oder der Habsburger Schild.
Diese Komponenten wurden dauerhafter Bestandteil
des Familienwappens.
- sog.
"Wappenverbesserungen": Ein verbessertes
Wappen ist ein Wappen, dem später als
besondere Gunst durch den Landesherrn eine
weitere Komponente hinzugefügt wurde, z. B.
anläßlich einer Standeserhebung oder zur
Belohnung für Verdienste. Das Wort
"Verbesserung" trifft meistens nicht in
geschmacklicher Hinsicht zu. Das Wort stammt aus
einer Zeit, in der ein komplexeres Wappen als ein
besseres Wappen angesehen wurde. Das
"verbesserte" Wappen ersetzte das
verhergehende, schlichtere.
- Familienwappen mit erblichen
Amtskomponenten (Erbamtswappen):
Normalerweise sind Amtswappen personenbezogen.
Der Amtsträger verbindet sein Familienwappen mit
dem Amtswappen, während die anderen
Familienmitglieder weiter das Familienwappen
führen, und auch die Nachkommen des Amtsträgers
führen nur das Familienwappen. Es gibt aber auch
Ausnahmen, die erblichen Hofämter. Das waren
aber mehr Auszeichnungen bestimmter Familien
durch Verleihung einer herausgehobenen Stellung
als eine tatsächliche Arbeitsbelastung.
- Familienwappen mit
Erberzämtern - das sind erbliche Ämter
des Reiches (vgl. Erzämter)
- Familienwappen mit
Erbämtern - das sind erbliche Ämter der
Landesherren
Rund um
den Wappenträger
Welchen Stand hat der Träger?
Man kann die Wappen einteilen nach der Gesellschaftsschicht, der
der Träger angehört:
- Adelswappen
- Bürgerwappen
- Gelehrtenwappen
- Handwerkerwappen
- Bauernwappen
Wie ist das Wappen entstanden?
- angenommene Wappen, frei zugelegte
Wappen
- Urwappen -
Wappen des Uradels. Die seit alters her als
adelig angesehenen Familien hatten im 12. /13.
Jh. Wappenmotive dem Zeitgeist entsprechend nach
eigenem Ermessen angenommen und so das
Wappenwesen etabliert
- frei zugelegte Bürgerwappen -
Das Bürgertum machte von dem gleichen Recht auf
Wappenstiftung Gebrauch. Der Anlaß war aber
nicht kriegerische Notwendigkeit, sondern das
Siegelwesen.
- Briefwappen: Wappen
wurden von den Kaisern bzw. in dessen Stellvertretung von
seinen Kanzleien verliehen
- mit Erhebung in den Adelsstand
- auch ohne Erhebung in den
Adelsstand in späterer Zeit
Handelt es sich um ein Wappen, das
weitergegeben werden kann oder an eine besondere personelle
Situation oder Konstellation gebunden ist? Für wie viele
Personen gilt das Wappen in dieser Form maximal? Ein
Familienwappen wird normalerweise im Mannesstamm weitergegeben,
aber ein Ehewappen ist genau an die beiden Eheleute gebunden und
wird in dieser Form nicht weitergegeben, es sei denn, es war eine
Erbheirat, und die neuen Komponenten werden dauerhafter
Bestandteil des Familienwappens. Genausowenig werden Amtswappen
wie z. B. Abts- oder Bischofswappen in dieser Form in der Familie
weitergegeben, auch diese sind personenbezogen.
- Weitergebbare Wappen: Familienwappen.
Wenn wir nach der Zahl der maximal möglichen
Wappenträger fragen, ist diese im Falle von
weitergebbaren Familienwappen theoretisch unendlich.
- Nicht weitergebbare Wappen,
Eigenzeichen der Inhaber:
- Zwei-Personen-Wappen
- Ehewappen
- die Zusammenfügung dieser Komponenten
ist für genau zwei Leute gültig, wenn
sie gemeinsam in Erscheinung treten. Es
wird nicht vererbt. Ist es aber eine
Erbheirat, wird das Wappen vermehrt. Vgl.
Ehewappen.
- Kondominatswappen
- die Zusammenfügung beider Wappen ist
für genau die gemeinsam herrschenden
Personen gültig, wenn sie gemeinsam in
Erscheinung treten.
- Ein-Personenwappen: Hierunter
fallen insbesondere die Wappen der Amtsträger,
die erstens aufgrund des Zölibates sowieso ihr
Wappen nicht weitergeben und/oder amtsbezogene
Komponenten in ihr Wappen aufnehmen, die nicht
dauerhaft der Familie zustehen. Damit handelt es
sich um reine Personenwappen :
- Bischöfe, Bischofswappen,
vgl. Klerikale Heraldik
- Äbte, Abtswappen
- Mitglieder von
Ritterorden, Ordenswappen,
Komturwappen, Landkomturwappen,
Hochmeisterwappen, vgl. Wappen des
Deutschen Ordens
- Amtswappen für
Inhaber weltlicher, nicht erblicher
Ämter. Wenn mit dem Amt auch eine
Standeserhöhung verbunden ist, spricht
man auch von Standeswappen.
Welche Abstammung hat der Wappenträger? Um
genau dies in einer Ahnenprobe zu belegen,
werden die sog.
- Ahnenwappen
aufgeführt. Das sind Wappen der Vorfahren bis zu einem
bestimmten, dem Rang des Wappenträgers angemessenen und
dem Zeitüblichen entsprechenden Verwandtschaftsgrad. Nur
ein Wappen davon ist normalerweise auch das vom Probanden
geführte Wappen, außer wenn es zu Wappenvereinigungen
oder sonstigen Wappenvermehrungen gekommen ist.
Welchen Namen hat der Wappenträger? Genau
dazu kann manchmal ein Bezug hergestellt werden, wenn sich der
Name und der Wappeninhalt entsprechen oder sinnvoll ergänzen:
- Redende Wappen -
allgemeiner Bezug (vgl. Redende Wappen)
- halbredende Wappen -
nur regional erschließbarer Bezug
Juristische
Personen
Wer ist der Wappenträger? Ist
das Wappen prinzipiell einer identifizierbaren Person oder
mehreren einer Gesamtheit jeweils einzeln zuzuordnen oder handelt
es sich um eine juristische Person bzw. Gemeinschaft nicht
verwandter Personen, deren einzelne Mitglieder das Wappen nur in
Bezug auf ihre Mitgliedschaft oder Zugehörigkeit führen? Zur
ersten Kategorie gehören alle bisher genanten Wappengattungen,
insbesondere die Familienwappen in ihren vielfältigen Formen,
die jedes einzelne Mitglied der Familie im Mannesstamm führen
darf, aber auch Amtswappen, die von einem
einzelnen Amtsträger geführt werden. Zur zweiten Kategorie
gehören Wappen von Städten, von Vereinen, von Klöstern, von
Firmen, von Universitäten. Die ganze Kommunalheraldik mit ihren
Verwaltungsstrukturen gehört in diesen Bereich.
- Wappen natürlicher Personen
- Wappen juristischer Personen, der
Gemeinschaften und Gesellschaften
- Wappen einer Körperschaft des
Privatrechts
- Wappen einer
Aktiengesellschaft
- Wappen einer GmbH
- Vereinswappen,
Gesellschaftswappen
- Sportverein
- Studentenverbindung,
Verbindungswappen
- Ritter- und
Turniergesellschaften
- Körperschaft des
öffentlichen Rechts
- politische
Verwaltungsstrukturen
- Staatswappen
- Landeswappen
- Provinzwappen,
Wappen von Regierungsbezirken
- Stadtwappen,
Wappen kreisfreier Städte
- Landkreiswappen
- Gemeindewappen
(amtsangehörig oder amtsfrei), Kommunalwappen
- Wappen von
Ämtern und
Verwaltungsgemeinschaften
- Kammern
- Wappen der Zünfte,
Gaffeln und Berufsgemeinschaften
- religiöse Strukturen
- Religionsgemeinschaften
- Klöster -
damit ist das reine Klosterwappen
gemeint, welches der Abt mit dem
Familienwappen zum Abtswappen
vereinigt.
- Ordenswappen
der geistlichen Orden, z. B.
Zisterzienserwappen
- Ordenswappen
der Ritterorden, z. B.
Deutschordenskreuz
- Domkapitel, Kapitelwappen
- Bistümer -
damit ist das reine Bistumswappen
gemeint, welches der Bischof mit
dem Familienwappen zum
Bischofswappen vereinigt. Vgl. Bistümer.
- Universitätswappen
Am Rande
des Wappenwesens
Keine korrekten Wappen sind:
- Phantasiewappen: frei
erfundenen Wappen für weit vor dem Mittelalter oder
außerhalb des europäischen Kulturkreises lebende
Personen, z. B. Herodes, der Hl. Sebastian, Mohammed,
Hannibal - in mittelalterlichen Wappenbüchern werden
diesen Personen willkürliche Phantasiegebilde
zugedichtet. Zum einen erachtete man es als Zeichen von
Weltläufigkeit, diese Personen aufzuführen, zum andern
war es undenkbar, daß eine Person von Stand und
Bedeutung kein Wappen führt, also wurde eines frei
erfunden - was wir heute aus wissenschaftlicher Sicht
ganz anders beurteilen.
- Rätselwappen: So
bezeichnet man originale Wappenabbildungen, bei denen
sich die Farben aber im Laufe der Zeit so verändert
haben, daß die Farbregel verletzt wird. Vgl. Farbregel.
Literatur,
Links und Quellen:
Heinrich Hussmann: Über deutsche Wappenkunst: Aufzeichnungen aus
meinen Vorlesungen, Guido Pressler Verlag, Wiesbaden 1972
Wappenfibel, Handbuch der Heraldik, hrsg. "Herold",
Verein für Heraldik, Genealogie und verwandte Wissenschaften,
Verlag Degener, Neustadt 1981
Walter Leonhard: Das große Buch der Wappenkunst, Bechtermünz
Verlag 2000, Callwey Verlag 1978
Georg Scheibelreiter: Heraldik, Oldenbourg Verlag Wien/München
2006, ISBN 3-7029-0479-4 (Österreich) und 3-486-57751-4
(Deutschland)
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